Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
legte meine blutige, zitternde Hand an ihren Hals. »Nein, der Puls schlägt noch.«
»Ich drück Momma, ich drück Momma«, heulte Henry. »Ich mach, dass sie heile wird.«
Janie, weiß wie Schnee, rappelte sich auf und robbte zu Mommas Gesicht, ohne darauf zu achten, dass das Blut auf der Matratze ihr T-Shirt durchnässte. Sie nahm Mommas Gesicht in die Hände. »Nicht sterben!«, bettelte sie. »Bitte nicht sterben!«
Nie werde ich dieses Betteln, dieses klägliche Flehen vergessen, als Janie Momma bat, bei uns zu bleiben.
Das weiße Handtuch war mittlerweile rot, und ich schnappte mir ein weiteres, drückte meine Hand auf Cecilias. Vier blutverschmierte Hände, unsere Köpfe über Mommas reglosem Körper, unsere Tränen miteinander vermischt.
Henry heulte weiter, inzwischen war er heiser; Janie flehte Momma an, am Leben zu bleiben; Cecilia fluchte und keuchte, und wir drückten das Handtuch gegen sie.
Sekunden später hörte ich das Sirenengeheul des Krankenwagens, das Poltern der Schritte auf der Treppe zur Wohnung und das hektische Klopfen an der Wohnungstür.
Die Klingel schrillte, und Henry stieß wieder sein animalisches Gebrüll aus. Ein neuer Blutschwall schoss aus Momma heraus, und Janie schrie auf. Später erfuhr ich, dass die Sanitäter und die Polizei aufgrund dieser markerschütternden Schreie nicht lange gezögert hatten. Die Tür wurde fast augenblicklich eingetreten, die Angeln barsten aus dem Rahmen.
Sanitäter und Polizisten stürmten herein und wussten nicht, wo sie anfangen sollten. Cecilia und ich hatten Blut im Gesicht, auf Händen und Armen. Janie war wieder ohnmächtig geworden und auf dem Boden zusammengesackt. Ihr T-Shirt war blutbefleckt.
Henry hockte in einer Ecke, völlig hysterisch und so weggetreten, dass er nicht mehr zu erreichen war. Das Zimmer stank nach drohendem Tod, nach Erbrochenem und entsetzlicher Angst.
»O Gott! Hilfe!«, schrie Cecilia. »Zu Hilfe!«
Innerhalb von Sekunden hatten die Männer über Funk Verstärkung angefordert, und bald schrillten die Sirenen durch die Nachbarschaft, drängten sich Männer in Anzügen und Uniformen in unserer Wohnung.
Später wurde mir erzählt, sie hätten geglaubt, wir wären von einem messerschwingenden Psychopathen überfallen worden.
Cecilia und ich wurden gewaltsam aus dem Zimmer getragen, wir zappelten und kreischten, weil wir Momma nicht allein lassen wollten. Wir wurden in einen Krankenwagen verfrachtet. Janie wurde auf eine Trage geschnallt, an den Tropf gelegt, und ihr bleiches Gesicht rollte von einer Seite zur anderen. Henry, der blutverschmierte Henry, wurde von drei Feuerwehrmännern hochgehoben, die ihn kaum halten konnten, weil er in seiner Panik um sich schlug.
Wir sahen Momma inmitten von Sanitätern und Feuerwehrmännern, die mit flinken Händen daran arbeiteten, sie am Leben zu halten. Funkgeräte schnarrten, Männer brüllten, ein Sanitäter war ohnmächtig in einer Ecke zusammengesunken.
Momma blieb zwei Wochen im Krankenhaus. Wir Kinder durften dort übernachten. Die Polizei kam und stellte uns Fragen, die Ärzte und Krankenschwestern ließen uns keinen Moment allein, trösteten uns, wenn wir die Tränen nicht zurückhalten konnten, wenn wir die Arme um uns schlugen und uns wiegten. Wir bestanden darauf, im selben Zimmer zu schlafen, also schoben sie die Betten zusammen.
Henry sprach nicht, kein einziges Wort, sein Blick war verschleiert, umnebelt, fern. Janie begann laut zu zählen. Schon seit längerer Zeit hatte sie leise gezählt, jetzt machte sie sich nicht mehr die Mühe, es zu verbergen. Cecilia futterte. Päckchenweise Kekse, komplette Kuchen, roten Wackelpeter und Pudding, riesige Pepperoni-Pizzas. Ich verlor mich in der Dunkelheit in meinem Kopf.
Am nächsten Morgen holte uns Miss Nancy ab.
Während der nächsten beiden Wochen wachte ich nachts mit Panikattacken auf. Mehr als einmal zerrte ich dabei an meinen Haaren, weil ich träumte, sie seien voller Blut. Cecilia hatte ebenfalls Albträume und flüsterte dann: »Haltet das Blut auf, stoppt das Blut.«
Ich glaube, Nancy kam überhaupt nicht zum Schlafen.
Sie beschwerte sich mit keinem einzigen Wort, sondern umarmte und beruhigte uns, strich uns mit kühlen Händen über die verschwitzte Stirn, hielt unsere zitternden Hände, streichelte die einsamen, verlorenen Gesichter.
Sie half Janie beim Sticken und legte klassische Musik auf.
Sie versuchte, Henry zum Sprechen zu bringen, doch er wollte nicht. Henry hatte sich nie besonders
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