Rose der Prärie
mein Tuch.“ Schon hatte er es von seinem Hals gewickelt und ihr umgebunden.
Ihr war schon vorher aufgefallen, dass das Tuch die gleiche intensive Farbe hatte wie seine Augen. Jetzt atmete sie tief den Geruch des Tuchs ein und hätte sich fast übergeben. Sie konnte sich gerade noch beherrschen. Das Tuch war schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gewaschen worden ... wahrscheinlich noch nie.
Selbstzufrieden lächelte Mr Valmer sie an. „Das Blau des Tuches ... es ist genauso blau wie Ihre Augen.“
Es hat auch gleich dieselbe Farbe wie mein Gesicht, wenn ich nicht ganz schnell ins Haus renne und dieses Ding loswerde, bevor ich das nächste Mal einatme!
Sobald sie in der Küche waren, riss sie sich das Tuch vom Gesicht, schob es Mr Valmer in die Hände und krächzte: „Das Mittagessen ist fertig.“ Doch ihr war der Appetit völlig vergangen. „Ich schaue nach Mrs Crewel, während ihr Männer esst.“
Vielleicht lag es daran, dass Mrs Crewel dieselbe Statur wie ihre Mutter und Tante Maude hatte, dass sie sich so zu dieser Frau hingezogen fühlte. Es war schon erstaunlich, dass alle drei Frauen kleine Grübchen an den Ellenbogen und an ihren Fingerknöcheln hatten. Arme und Hände wie diese waren immer bereit, zu trösten und einen in eine liebevolle Umarmung zu ziehen. Sie gaben einem das Gefühl, zu Hause zu sein. Alle Frauen, die Maggie liebte, waren schon beim Herrn, und sie wollte jetzt alles menschlich Mögliche tun, damit Mr Valmer seine Mutter nicht auch verlor.
Da sie schon eine Weile auf der Seite gelegen hatte, die durch den Schlaganfall gelähmt war, lief Mrs Crewel der Speichel aus dem Mundwinkel. Langsam beugte Maggie sich vor und tauschte das weiche Tuch unter ihrer Wange aus. Dabei benutzte sie das alte Tuch, um vorsichtig Mrs Crewels Gesicht abzuwischen.
Mr Valmer betrat das Zimmer und blieb wie angewurzelt stehen. „Wenn sie sich hinsetzt, wird das dann aufhören?“
„Vielleicht nicht ganz, aber es wird sicher besser sein. Das ist einer der Gründe, warum sie wieder lernen muss, zu schlucken.“
„So.“ Er sagte dieses eine Wort mit der gleichen Endgültigkeit, wie die Männer aus Paw-Paws Generation immer „So sei es“ sagten. Dieses eine Wort zeigte ihr, dass er anfing, seine neue Situation zu akzeptieren.
Schon bald verließen sie das Zimmer wieder. Vor der Tür drehte sich Mr Valmer zu Maggie. „Ich bin Ihnen sehr dankbar für alles, was Sie für meine Mutter tun. Sie müssen mir nur sagen, was Sie dafür bekommen.“ Seine Ohren wurden langsam rot. „Wenn man Land bearbeitet, wird einem das Herz voll, aber nicht die Brieftasche.“
Es ist ihm peinlich, dabei hat er gar keinen Grund dazu. Das kann ich gleich jetzt klarstellen. Sie zuckte mit den Schultern. „Gastfreundschaft. So machen wir das hier im Süden. Und Sie haben hier ja schon bis zum Umfallen gearbeitet.“
Er hob seine großen, runden, schwielenübersäten Hände. „Es ist mir unmöglich, hier vor Erschöpfung umzufallen – bei dem guten Essen.“ Er knackte mit seinen Fingerknochen. „Wenn ich nur rumsitze, werde ich unruhig.“
Damit war die Abmachung besiegelt, obwohl beide ihren Teil der Arbeit heruntergespielt hatten. Sie lächelte ihn an. „Ich sollte mich besser um die Wäsche kümmern, während Ihre Mutter so friedlich schläft. Ich brauche nachher genug Zeit in der Küche, damit Sie und die Männer hier nicht so vom Fleisch fallen wie der ausgestopfte Kopf des Warzenschweins im Haus der Flinn-Zwillinge.“
„Wie sind die beiden eigentlich zu so etwas gekommen?“
„Sie haben es gegen ein ganzes, frisches Reh getauscht. Jetzt verstehen Sie sicher auch, warum ich hier normalerweise das Handeln übernehme. Für mich ist das so selbstverständlich wie das Atmen.“ Beim Atmen dachte sie sofort wieder an das Tuch und damit an die Wäsche. „Ich mache mich mit der Wäsche gleich auf den Weg zu Onkel Bo.“
„Auch mich ruft die Arbeit wieder.“ Er wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um. „Miss Rose? Ich würde Ihnen gern mein Tuch überlassen, falls Sie heute noch einmal in den Sturm rausmüssen.“
„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich das freut. Es wird mir eine große Hilfe sein.“ In Gedanken fügte sie hinzu, dann kann ich es auch gleich waschen.
Während Mr Valmer sich draußen wieder der Arbeit widmete, ging Maggie hinüber zu Onkel Bo. Bei schlechtem Wetter nutzte sie seine Hütte als Waschküche. Obwohl sie eigentlich heute gar nicht waschen wollte,
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