Rose Harbor und der Traum von Glueck
sich auf die Lippe. » Es ist vorbei. «
» Nein. « Josh wollte es nicht akzeptieren, dass innerhalb von zwei Tagen ein so dramatischer Verfall eingesetzt hatte. » Nein, das kann nicht sein. «
Vor Kurzem erst hatte Richard sich stark genug gefühlt, ihn erzürnt aus dem Haus zu weisen, und ihn wütend angebrüllt. Und jetzt sollte er tot sein. Verstummt für immer?
Für ihn war es eine Erlösung, zumal der Tod ohne Kampf innerhalb von Sekunden eintrat. Eben noch musste er um jeden schmerzenden Atemzug ringen, um fast unmerklich in eine andere Welt hinüberzugehen, wo ihn Teresa und Dylan sicher bereits erwarteten.
Michelle streckte über Richards leblosen Körper hinweg tröstend die Hand nach ihm aus. » Es tut mir so leid. «
Josh schüttelte bloß den Kopf. Jahrelang hatten Richard und er sich gehasst, sich angefeindet, einander das Leben schwergemacht. Wenngleich dabei vor allem sein Stiefvater großes Unrecht an ihm beging, war er doch das einzige Bindeglied zu seiner verstorbenen Mutter. Jetzt gab es auch das nicht mehr.
In seiner Brust stieg ein Schluchzen auf, das er krampfhaft unterdrückte. Trauer nicht nur um den Toten auf dem Bett, sondern um Teresa, um sich selbst, einfach um alles Versäumte.
Michelle kam um das Bett herum und schlang die Arme um seine Schultern, während Josh trostsuchend seinerseits die Arme um Michelles Taille legte und den Kopf an ihrem Bauch barg. So hielten sie einander, bis es an der Tür klingelte.
Es war eine Mitarbeiterin des Hospizes, die wie versprochen nach Richard schauen wollte.
» Der Tod ist vor ein paar Minuten eingetreten « , sagte Michelle und führte sie ins Schlafzimmer, wo Josh sie erwartete.
» Joshua Weaver « , stellte er sich vor und streckte der Frau mittleren Alters in dem langen schwarzen Mantel eine Hand hin. » Ich bin der Sohn des Verstorbenen. « Er stutzte und korrigierte sich rasch: » Sein Stiefsohn. «
Michelle trat neben ihn. » Und ich bin eine Freundin der Familie. Wir waren bei Richard, als er starb. «
» Lois Freeland « , sagte die Frau leise. » Mein Beileid. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. «
» Danke « , murmelte Josh.
Die Hospizmitarbeiterin, für die es nicht mehr viel zu tun gab, stellte noch eine Reihe Fragen, damit die Akte Richard Lambert geschlossen werden konnte. Zum Glück erledigte Michelle das, die über die Medikamentengabe und den Gesamtverlauf sowieso viel besser Bescheid wusste als er.
Josh ging hinüber ins Wohnzimmer und setzte sich in jenen Sessel, in dem Richard so viele Stunden des Tages verbracht hatte in den letzten einsamen Jahren. Er versuchte die Gefühle zu analysieren, die ihn in dieser Situation überschwemmten.
Nicht Richards Tod als solcher schreckte ihn. Schließlich hatte er unter dem Verlust seiner Mutter mehr gelitten. Nein, es war das Gefühl, um etwas betrogen worden zu sein, das sich schwer ertragen ließ. Es machte ihn irgendwie wütend, und sein Zorn steckte ihm wie ein Kloß in der Kehle.
Um damit fertigzuwerden, ließ er sich von seinen Erinnerungen treiben.
Josh dachte an seine erste Begegnung mit Richard und Dylan. Seine Mutter hatte sich so gefreut, ihm ihren Freund, wie sie das nannte, vorzustellen. Es war nicht der erste Mann nach dem Weggang seines Vaters, aber der erste ernsthafte Bewerber. Die Beziehungen vorher hatten kaum länger gehalten als ein paar Wochen. Josh spürte von Anfang an, dass es sich mit Richard anders verhielt.
Weil seine Mutter plötzlich so glücklich wirkte.
Wenn sie ihn getroffen hatte, legte sie zu Hause eine Platte auf, tanzte und wirbelte durch den Raum, als befinde sie sich in einem imaginären Ballsaal. Dennoch gingen die beiden Monate miteinander aus, bevor sie bereit war, ihn Josh vorzustellen.
Bei dieser Gelegenheit lernte er auch seinen künftigen Stiefbruder kennen, und Dylan verriet ihm, dass sein Vater ebenfalls wie ausgewechselt sei, seit er Teresa kannte. Die beiden kleinen Jungen fragten sich damals verwundert, was die beiden wohl so euphorisch stimmen mochte.
Im Laufe der Jahre begriff Josh erst, dass es wohl Liebe gewesen sein musste, die zwei Menschen in einen solchen Zustand versetzte. Teresa und Richard waren füreinander bestimmt gewesen, und jetzt waren sie wieder miteinander vereint.
» Josh. «
Michelle kam auf ihn zu. Dass sie die Frau vom Hospiz bereits zur Tür begleitet hatte, war ihm gar nicht aufgefallen.
» Lois hat den Coroner verständigt « , teilte sie ihm mit. » Er wird in ein paar Minuten hier sein,
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