Rose Harbor und der Traum von Glueck
mich nicht bald zur Großmutter macht, kann ich für nichts garantieren. Ich brauche Enkelkinder zum Verwöhnen. « Ihr Lachen erstarb, und sie wurde ernst. » Triffst du dich mit jemandem? «
Von einem Moment zum anderen durchbohrte Linda ihre Tochter mit einem Röntgenblick.
» Mutter! Nein, ich treffe mich mit niemandem, und wenn dem so wäre, würde ich es dir nicht erzählen. «
Linda schüttelte den Kopf, als könne sie die Welt nicht mehr verstehen. » Ich weiß nicht, was mit euch jungen Leuten los ist « , lamentierte sie. » In deinem Alter hatten dein Vater und ich schon zwei Kinder und eine Hypothek, die wir abzahlen mussten. Wann findest du endlich einen netten Mann und gründest eine Familie? «
Eine gute Frage, und falls Abby eine Antwort darauf wüsste, würde sie es nur allzu gern dem Rest der Welt verkünden.
» Mom, lass das und hör mir zu. Ich habe dir nicht ohne Grund von der Begegnung mit Patty erzählt. «
» Nein? «
» Patty organisiert morgen einen Lunch mit ein paar von meinen alten Freundinnen, die noch in der Gegend wohnen, und sie meinte, du solltest ebenfalls kommen. «
» Ich? «
» Ja, du. Sie hofft, dass ihre Mutter oder auch eine andere Zeit findet. Ihr kennt euch doch alle. «
Abby rasselte die Namen herunter, die Patty erwähnt hatte.
» Mit Kathy Wilson, Kellys Mutter, war ich im Elternvorstand « , meinte Linda.
» Ich weiß. « Abby verkniff sich ein Grinsen angesichts der mütterlichen Begeisterung.
Ihre Mutter schloss sie in die Arme. » Ich wusste, dass diese Hochzeit unsere Familie wieder zusammenbringt. Ich wusste es einfach. «
So weit mochte Abby zwar nicht gehen, aber sie spürte, dass es ein Anfang war.
16
I ch finde es sehr großzügig, dass du das für Richard tust « , meinte Michelle, als sie den Rollator, den Josh in der Apotheke gekauft hatte, in seinem Mietwagen verstauten.
» So stur, wie Richard ist, wird er sich vermutlich weigern, ihn zu benutzen. Trotzdem ist es einen Versuch wert. Mir gefällt es nicht, dass er ohne Gehhilfe herumstolpert – dabei kann er viel zu leicht stürzen. «
» Das sage ich ihm schon seit Wochen. «
Als sie in das Haus zurückkamen, fanden sie Richard fest schlafend in seinem Sessel vor. Er wachte nicht einmal auf – ein Hinweis darauf, wie erschöpft er war. Zu Joshs Überraschung sah es jedoch so aus, als habe er ein wenig von der Suppe gegessen – vielleicht ein gutes Omen, was den Rollator betraf. Josh hoffte, Richard würde sich wider Erwarten dazu durchringen, ihn zu benutzen. Obwohl sein Stiefsohn ihn ins Haus geschleppt hatte.
Josh trug das große Paket in die Küche, um dort die Gehhilfe zusammenzubauen. In der Apotheke hatte man ihnen versichert, das sei kinderleicht.
» Ich suche einen Schraubenzieher « , erbot sich Michelle.
Josh glaubte zwar, dass er keinen brauchen würde, hielt sie aber nicht zurück. Während sie den Raum verließ, öffnete er den Karton und sortierte die einzelnen Teile. Dabei fiel ihm wieder die Geschichte ein, die Michelle ihm über Dylan erzählt hatte. Noch immer fiel es ihm schwer zu glauben, dass sein Stiefbruder zu solch rücksichtslosem Verhalten fähig gewesen sein sollte, doch es war wohl so.
Es tat Josh weh, dass ausgerechnet Michelle so sehr verletzt worden war. Noch nach Jahren konnte man den Schmerz spüren, den sie empfunden haben musste, und unwillkürlich hatte er den Drang verspürt, sie in die Arme zu nehmen und zu trösten; sie zu küssen und ihr zu sagen, wie leid es ihm tat, dass so etwas passiert war. Wenn er könnte, würde er die Zeit zurückdrehen und sie selbst zu dem Ball begleiten.
Michelles Abwesenheit verschaffte ihm Gelegenheit, die neue Situation zu bedenken. Die ohnehin latent vorhandene körperliche Anziehungskraft zwischen ihnen hatte sich seitdem verstärkt. Er spürte es und war sich ziemlich sicher, dass Michelle ähnlich empfand. Nur was brachte es ihnen? Sie beide konnten keine Beziehung eingehen, unmöglich.
Seine Arbeit führte ihn ständig kreuz und quer durch das Land. Zwar besaß er das Haus in San Diego, hielt sich indes bloß selten dort auf. Michelles Leben dagegen spielte sich in Cedar Cove ab. Wenn er die Stadt diesmal verließ, würde es für immer sein. Er hatte nicht die Absicht, jemals zurückzukommen.
Als Michelle ihm einen Schraubenzieher brachte, stand der Rollator bereits fertig zusammengebaut in der Küche.
» Du hast es geschafft? Ohne mich? « , sagte sie.
Josh grinste. » Es war wirklich ein Kinderspiel.
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