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Rosehill 01 - Die Tochter des Lords

Rosehill 01 - Die Tochter des Lords

Titel: Rosehill 01 - Die Tochter des Lords Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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bilden. Blue Belle war sehr erfahren, doch sie hatte Mary Rose stets wie eine betuliche Tante behandelt und nie über ihr Gewerbe gesprochen.
    Sorgfältig bürstete sie ihr Haar und hoffte, dieses alltägliche Ritual würde sie beruhigen. Und dann entschied sie, dass sie lange genug gezögert hatte. Sie verknotete den Gürtel ihres Schlafrocks und stieg die Treppe hinab. Als sie die Baracke erreichte, zitterte sie vom Scheitel bis zur Sohle. Wie lange sie dastand, die Hand am Türknauf, wusste sie später nicht. Mindestens fünf Minuten mussten verstrichen sein, ehe sie endlich genug Mut aufbrachte, um einzutreten.
    Sie holte tief Atem, straffte die Schultern und öffnete die Tür.
    Wenn Mary Rose beschlossen hatte, etwas zu tun, dann tat sie es ohne Rücksicht auf Verluste. Krachend schlug die Tür gegen die Wand, sprang zurück, warf sie beinahe zu Boden und wurde diesmal etwas sanfter beiseite geschoben.
    Am liebsten hätte Harrison laut aufgelacht, aber er lächelte nicht einmal, denn wenn er nur das geringste Amüsement zeigte, würde sie wahrscheinlich sofort zum Haus zurücklaufen. Genau zwölf Minuten lang hatte die Liebe seines Lebens draußen auf der Schwelle gestanden. Er hatte ihre Schritte gehört, dann ihr zauderndes Flüstern. Offenbar war ihre Unsicherheit noch immer nicht verflogen.
    Er war nicht aus dem Bett gestiegen, um sie zu holen, denn sie musste ihre Entscheidung ganz allein treffen. Hin und wieder hatte er auf seine Taschenuhr geschaut – das letzte Mal zwei oder drei Sekunden vor Mary Roses Versuch, seine Tür aus den Angeln zu heben.
    Sobald er ihre Kleidung sah, erkannte er, dass die Claybornes noch nicht mit ihr über England gesprochen hatten. Wäre es anders gewesen, hätte sie ihn trotzdem aufgesucht, aber vollständig angekleidet, und ihn mit Fragen bestürmt – getrieben von Zorn und Verwirrung. Eine Zeit lang würde sie ihm das Täuschungsmanöver übel nehmen, aber seine Beweggründe letzten Endes verstehen. Es war seine Pflicht, sie zu beschützen, und ob es ihr gefiel oder nicht – nach der Ankunft in England würde sie ihn brauchen.
    Was sie erwartete, wusste er nur zu gut, denn er kannte die Familie Elliott. Mit den besten Absichten würden sie alle versuchen, Mary Roses Identität zu zerstören und sie völlig zu vereinnahmen, damit sie in ihre Gesellschaftsschicht passte. Das durfte Harrison nicht zulassen. Mary Rose musste so bleiben, wie sie war – so, wie er sie liebte. Deshalb hatte er beschlossen, das Bündnis fürs Leben schon jetzt einzugehen.
    Wie rasend hämmerte Mary Roses Herz gegen ihre Rippen, ihre Knie bebten, und sie konnte kaum atmen. Harrisons Anblick beruhigte sie nicht. Er saß auf dem Bett, an einen Pfosten gelehnt, die langen Beine auf der Decke ausgestreckt. Und er trug nur noch seine aufgeknöpfte Hose. Sonst nichts. Zum ersten Mal sah Mary Rose sein dunkles, gekräuseltes Brusthaar.
    Dann bemerkte sie das Buch in seiner Hand, das er jetzt zuklappte, und sie hob verwundert die Brauen. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, hatte er gelesen. Was sollte sie davon halten? Während sie aufgeregt in ihrem Zimmer herumgelaufen war, hatte er seelenruhig gelesen … Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt.
    Harrison las die Angst in ihren Augen und wusste, er würde sie besänftigen müssen, ehe er sie berührte. Natürlich wollte er sein Versprechen einlösen und sie zu nichts zwingen. Wenn sie sich plötzlich anders besann und ins Haus zurückkehrte, würde er sie nicht zurückhalten. Selbst wenn ihn seine Beherrschung übermenschliche Kräfte kosten würde. Doch er war ehrlich genug, um sich einzugestehen, wie leicht ihm sein Edelmut fiel. Sie würde bei ihm bleiben. Daran zweifelte er nicht.
    Endlich brach Mary Rose das Schweigen. »Du hast gelesen.«
    Obwohl sie nur eine schlichte Tatsache feststellte, klang es wie eine Anklage.
    Statt eine Erklärung abzugeben, nickte er nur. »Möchtest du die Tür zumachen?«
    »Nein.« Kein Spur von Panik schwang in ihrer Stimme mit. Harrison legte das Buch auf den Nachttisch und schwang die Beine über den Bettrand. Da sie annahm, er würde die Tür schließen, hob sie abwehrend eine Hand. »Warum trägst du kein Nachthemd?«
    »Weil ich immer nackt schlafe.«
    Nun begannen ihre Knie noch heftiger zu zittern. »Vielleicht – hättest du das nicht erwähnen sollen …«
    »Bald wirst du’s ohnehin herausfinden. Bleibst du heute Nacht bei mir?«
    Sie konnte einfach nicht fassen, wie kühl und sachlich er sprach. »Das

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