Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
Wasser reichen«, warf Billie ein.
Alle, die im Saloon saßen, stimmten zu, und ein Graukopf rief. »Eine echte Schönheit!«
»Und herzensgut«, fügte Henry hinzu.
Dooley nickte. »Ja, sie kümmert sich um jeden, der Hilfe braucht.«
»Von weither kommen die Indianer angelaufen, nur um eine Locke von ihrem goldblonden Haar zu ergattern«, berichtete Henry. »Und sie gibt’s ihnen, wenn auch widerstrebend. Die Rothäute glauben, das würde ihnen Glück bringen. Nicht wahr, Billie?«
»Klar. Ein paar Mischlinge versuchten sie mal von der Ranch zu entführen und behaupteten später, Miss Marys blaue Augen hätten sie verzaubert. Wisst ihr noch, was dann geschah?«
Dooley brach in Gelächter aus. »Damals hat sich Adam nicht wie ein Friedensstifter aufgeführt, was, Ghost?«
»Allerdings nicht!«, bestätigte ein Mann mit dichtem weißem Haar und langem, zottigem Bart. »Einen dieser Entführer riss er beinahe entzwei, und seither wagt es niemand mehr, sich an dem Mädchen zu vergreifen.«
»Ein Jammer, dass Miss Mary nicht umworben wird …«, seufzte Billie. »Mittlerweile müssten schon drei Babys an ihrem Rockzipfel hängen.«
Harrison fragte nicht, warum es ihr an Bewerbern mangelte. Aber Dooley klärte ihn bereitwillig auf. »Keiner will sich mit ihren vier Brüdern anlegen. Auch Sie sollten sich von ihr fernhalten, Mister.«
»Mit dem will sie ohnehin nichts zu tun haben!«, schrie Ghost, und Dooley nickte.
»Sie interessiert sich nur für die Armen und Schwachen. Wahrscheinlich fühlt sie sich dazu verpflichtet, solche Leute zu umsorgen.«
»Immer wieder schleppt sie irgendeine Jammergestalt nach Hause und ärgert ihre Brüder«, ergänzte Billie. »Aber die finden sich damit ab.«
»Uns mag sie auch, und wir sind keine Schwächlinge«, betonte Dooley.
»Natürlich nicht«, bekräftigte Henry. »Sie sollen keinen falschen Eindruck gewinnen, Mister. Miss Mary mag uns, weil wir schon so lange da sind. Also hat sie sich an uns gewöhnt. Übrigens, bald können Sie das Mädchen begutachten. Hoffentlich wird sie heute von ihrem Bruder Douglas begleitet.«
»Warum?«, fragte Billie.
»Er soll mal nach meiner Stute sehen. Die benimmt sich so komisch.«
»Falls Sie einen guten Hengst brauchen, Mister«, wandte sich Dooley an Harrison, »Douglas hat einen ganzen Stall voll. Er reitet wilde Pferde zu, und manchmal verkauft er sie. Nicht an jeden! Er schaut sich die künftigen Besitzer seiner Lieblinge genau an. Eigentlich ist er kein richtiger Tierarzt, aber er weiß sehr gut Bescheid – wenn er’s auch nicht mag, dass wir ihn Doc nennen.«
»Was für Geschäfte treiben Sie denn?«, wollte Billie von Harrison wissen.
»Ich befasse mich mit Rechtssachen.«
»Davon werden Sie nicht satt. Sonst tun Sie nichts?«
»Ich gehe auf die Jagd.«
»Also sind Sie ein Trapper?«
Harrison schüttelte den Kopf. »Nicht direkt«, antwortete er ausweichend, denn er wollte diesen Männern nicht auf die Nase binden, dass er ein verschollenes Kind suchte, das inzwischen eine erwachsene Frau war.
»Haben Sie’s schon mal mit Viehzucht versucht?«, fragte Henry. »Dafür würden Sie sich eignen, weil Sie so groß und breitschultrig sind – wie die Claybornes. Möchten Sie uns nicht verraten, wie Sie heißen?«
»Harrison MacDonald.«
»Und woher kommen Sie?«
»Ich bin in Schottland geboren und in England aufgewachsen, auf der anderen Seite des Atlantiks.«
»Diese Stadt könnte einen Anwalt gebrauchen«, meinte Billie. »Wir haben keinen in dieser Gegend. Wenn Adam Clayborne ein Problem nicht lösen kann, müssen wir nach Hammond reiten. Sicher wird sich Richter Burns freuen, wenn Sie ihn unterstützen. Er regt sich immer schrecklich auf, wenn er mit uns zusammenarbeiten muss. Wie nennt er uns doch gleich?«, fragte er Dooley.
»Ignoranten.«
»Ja, genau. Also, wenn Sie mich fragen – dieses Rechtswesen ist furchtbar kompliziert. Man muss so viele Formulare ausfüllen.«
»Früher war’s viel einfacher, ein Stück Land zu kriegen!«, rief Ghost. »Man setzte sich einfach drauf, und schon war man der Besitzer. Nun muss man Geld zahlen und Papiere ausfüllen.«
»Nun, wollen Sie sich hier niederlassen? Bringen Sie doch ein Plakat an Morrisons Schaufenster an! Da können Sie jeden Monat ein paar Dollar verdienen.«
Harrison zuckte die Achseln. »Jetzt weiß ich noch nicht, was ich tun werde. Vielleicht bleibe ich hier, vielleicht aber auch nicht.«
»Haben Sie genug Geld, um sich über Wasser zu halten,
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