Rosen des Lebens
Großen unter
Marias Regentschaft den Hof wegen nichts und wieder nichts verließen und zu den Waffen griffen, nur um sich ihre Treue mit
Gold aufwiegen zu lassen.«
»Um auf Ludwig zurückzukommen«, sagte ich, »so gab er |215| der Königinmutter gleich nach Unterzeichnung des Vertrags von Angoulême seinen Wunsch bekannt, sie wiederzusehen und mit ihr
Frieden zu schließen. Als er im Juli noch keine Antwort von ihr hatte, so verstockt war sie, schrieb er ihr einen dringlichen
Brief und bat sie wiederum, an den Hof zu kommen. Und trotz seiner eindringlichen Bitten mußte er noch anderthalb Monate warten,
bis sie sich entschloß, mit ihm zusammenzutreffen.«
»Wie kommt es, mein Sohn, daß Ihr uns von dieser Begegnung zwischen Mutter und Sohn in Couzières nichts erzählt habt?«
»Weil es darüber nicht viel zu berichten gab. Es war reines Theater für den Hof und für die ausländischen Gesandten. Jede
Rede und Antwort war vorher festgelegt, nichts kam von Herzen. Was vermutlich besser war, denn die Ressentiments auf beiden
Seiten waren so eingewurzelt wie Quecken. Trotzdem, als Mutter und Sohn sich trennten, der König nach Compiègne ging und die
Königinmutter nach Angers in ihre neue Herrschaft, stand die Vereinbarung, daß sie, sobald der König wieder in Paris wäre,
zu ihm in die Hauptstadt kommen würde. Drei Wochen später war davon nicht mehr die Rede.«
Warum die Situation sich plötzlich verschlechterte, darüber will ich hier sagen, was ich weiß. Am fünfzehnten Oktober 1619
befahl der König, den Prinzen Condé freizulassen, und es besteht kein Zweifel, daß diese von Luynes angeratene Maßnahme in
mehrfacher Hinsicht ein schwerwiegender politischer Fehler war. Er beleidigte die Königinmutter und setzte der kaum begonnenen
Aussöhnung mit dem Sohn ein Ende.
Doch bevor ich über diesen neuen großen Streit spreche, will ich einige Worte über den Prinzen Condé sagen. Ich habe diesen
großen Herrn in den beiden vorhergehenden Bänden meiner Memoiren geschildert. Weil ich aber nicht sicher sein kann, daß der
Leser, der diesen Band liest, auch jene beiden vorausgegangenen gelesen hat oder daß er sich dieses Condé unter den gut hundert
Personen erinnert, will ich ihn jetzt noch einmal und zum letztenmal porträtieren, denn hiermit endet seine Rolle in der Geschichte
des Reiches.
Die Umstände seiner Geburt, sein Charakter, sein Schicksal haben durchaus Erstaunliches. Seine Mutter, eine geborene La |216| Trémoille, wurde angeklagt, ihren Gemahl mit Hilfe eines Pagen vergiftet zu haben, dem sie sich hingegeben hatte. Katholische
Richter erkannten sie schuldig. Als Hugenottin verlangte sie, vor Richter ihrer Religion gestellt zu werden. Vermutlich aus
Haß auf jene, sprachen diese sie frei. Trotzdem lastete auf ihrem Sohn ein Zweifel. War der posthum geborene Prinz der Sohn
seines Vaters, oder war er dem Ehebruch der Fürstin mit dem Pagen entsprungen?
Wäre Condé schön und seiner Wohlgeborenheit sicher gewesen, hätte man an seiner Abkunft weniger gezweifelt. Aber er hatte
so gar keinen Grund, sich seiner Erscheinung zu rühmen, klein und mickrig, wie er war, mit einer unangenehmen Stimme und einer
wie ein Adlerschnabel vorspringenden Nase, die in keiner Weise der berühmten langen Nase der Bourbonenfamilie glich, der er
angeblich entstammte.
Seine Mutter, die ihn nicht liebte, befreite ihn nie von dem Zweifel, wer sein Vater gewesen war. Vielleicht aus Groll gegen
sie, machte sich Condé, zum Mann geworden, nichts aus dem weiblichen Geschlecht und suchte seine Lust woanders.
Nun brachten diese Sitten einen Prinzen von Geblüt nicht auf den Scheiterhaufen, besserten aber auch nicht gerade seinen Ruf,
zumal sie bei einem so nahen Verwandten des Draufgängers Henri Quatre doch sehr verwunderten.
Ob aus Mitleid, ob aus politischem Kalkül, den Ersten unter den Großen in der Hand zu haben, erkannte Henri seine Legitimität
an, ohne daß er ihrer sicher war. Später verheiratete er ihn mit Charlotte de Montmorency, einem schönen Mädchen, in das der
alternde König sich vergafft hatte. Zartgefühl, vor allem wenn es um Frauen ging, war nicht Henris Stärke. Natürlich arrangierte
er diese Ehe in der Hoffnung, daß Condé als unheilbarer Schwuler ein desinteressierter und gefälliger Gemahl sein würde.
Er täuschte sich herb. Sowie die Nachstellungen des Königs zu aufdringlich wurden, entführte Condé seine Frau in die
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