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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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kommen, können sie dort speisen, ohne daß sich ihnen der Magen umdreht, und nächtigen, ohne von Ungeziefer
     gefressen zu werden. Manchmal esse ich dort zu Mittag, wenn ich die Suppen leid bin, die mein Robin mir in meiner Louvre-Wohnung
     vorsetzt und mein Vater unglücklicherweise auf seinem Gut Chêne Rogneux in Montfort-l’Amaury weilt und unseren Koch Caboche
     mitgenommen hat.
    Noch mehr als der Gasthof gefiel mir aber die Wirtin, genannt La Doucette. Ehemals Marketenderin, ergatterte sie sich |34| in heißem Kampf – schließlich war sie nicht die einzige Marketenderin im Regiment –, einen schmucken Hauptmann, der sie großzügig
     beschenkte, bevor er fiel. Danach verließ sie das Heer, heiratete einen wohlhabenden Mann namens Schlosser und eröffnete mit
     ihm diesen Gasthof.
    La Doucette war eine kleine Brünette, zierlich, rundlich, lebhaft, frisch und so schlagfertig wie gutmütig. Kurioserweise
     war sie ihrem schönen Hauptmann im Kriege nicht treu gewesen, war es aber im Frieden ihrem unansehnlichen Mann. Vermutlich
     verstand dieser Schlosser ihr Herz besser zu öffnen als der Hauptmann.
    Beim Eintreten küßte ich ihr beide Wangen, was sie duldete, weil sie mich von Kind auf kannte, wie sie sagte, doch das stimmte
     nicht ganz, denn als sie ihren Gasthof aufmachte, war ich schon dreizehn und verwegen mit Blicken, wenn nicht mit Händen.
    »Frau Wirtin«, sagte ich, indem ich sie beiseite zog, »ich möchte Monsieur Tronçon sprechen.«
    »Der ist nicht hier«, sagte La Doucette errötend.
    »Meine Liebe«, sagte ich, »mit so zarter Haut kann man nicht lügen. Tronçon ist hier.«
    »Ist er nicht«, sagte sie trotzig.
    »Er versteckt sich in einem Eurer Zimmer.«
    »Aber nein.«
    »Aber ja!«
    »Ich habe nein gesagt«, sagte La Doucette, durchaus nicht mehr gutmütig.
    »Und ich sage ja! Meine Liebe, Ihr verstoßt gegen das Verbot des Königs, in Paris behauste Personen in Pariser Herbergen zu
     empfangen. Und dies, um Ehebruch, Unzucht, Ausschweifung und andere Laster zu unterbinden.«
    »Solche Schweinereien gibt es bei mir nicht!« sagte La Doucette wütend.
    »Das glaube ich. Aber Tronçon ist bei Euch. Ich weiß, daß er hier ist. Und ohne daß Ihr seinen Namen eingetragen, noch die
     Durchschrift an den Polizeihauptmann geschickt habt, wie es Eure Pflicht war.«
    Der Schuß war ein bißchen gewagt, aber zum Glück traf er ins Schwarze.
    »Sollte ich ihn auf der Gasse umkommen lassen?« fragte La |35| Doucette leise. »Ich hab ihn aufgenommen. Wenn das ein Vergehen ist, bitte, dazu steh ich.«
    »Und ich habe nichts dagegen. Nur in einem bleibe ich hart: Ich will ihn sprechen.«
    »Das geht nicht.«
    »Das geht.«
    »Monsieur Tronçon liegt krank zu Bett. Er will keinen Besuch.«
    »Aber mich.«
    »Ich bin hier Herrin im Haus!« sagte sie und reckte sich empor.
    »Und der König ist Herr in seinem Reich. Und der König befiehlt mir, Tronçon aufzusuchen.«
    »Stimmt das wirklich?«
    »Frau Wirtin, Ihr kennt mich von klein auf: Bin ich ein Lügner?«
    »Nein«, gab sie widerwillig zu.
    »Also, ich will Tronçon sehen«, sagte ich mit einiger Autorität, indem ich gleichzeitig die Hand auf ihre Schulter legte,
     die nackt und wunderbar weich war.
    Die Wirtin bedachte abwechselnd meine gerunzelte Miene und die Hand auf ihrer Schulter, und weil die Sanftheit der einen die
     Strenge der anderen aufwog, sagte sie leise aufseufzend: »Dann muß wohl auch ich dem König gehorchen.«
    Sie stieg die Treppe hinauf und bedeutete mir, zu folgen, dennoch kapitulierte sie nicht gänzlich, sondern stellte sich taub
     für meine Fragen und wollte mir nicht verraten, woran Tronçon litt, noch warum er sich im Gasthof kurierte und nicht wie jedermann
     bei sich zu Haus. Dabei hätte der glückliche Tronçon sogar wählen können, denn er hatte eine Wohnung für sich allein im Louvre
     und unweit von dort, in der Rue d’Orléans, mit seiner Frau und seinen sieben Kindern ein großes Haus mit Taubenschlag davor.
    Weil die Wirtin die Tür vor mir öffnete und das Zimmer dunkel war, konnte ich Tronçon zuerst nicht sehen, dafür hörte ich
     ihn aber, als er die Wirtin mit aufgebrachter, scharfer Stimme anschrie: »Was soll denn das, dumme Trine? Ihr bringt mir Besuch!
     Habe ich Euch nicht hundertmal gesagt, ich will niemand sehen? Wißt Ihr nicht, wer ich bin und was es Euch kosten kann, mir
     zuwiderzuhandeln?«
    |36| »Um Himmels willen, Monsieur Tronçon«, sagte ich, indem ich vortrat, »schimpft nicht

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