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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Chevalier. Und er wird Euch von allen am nützlichsten sein. Sein Name ist Omen: Er heißt Séraphin und ist
     ein guter Priester, ohne übermäßigen Hang zur Flasche oder offene Schwäche für die Weiblichkeit. Im übrigen kennt er seine
     Lämmer von Grund auf.«
    »Und der Verwalter Rapinaud?«
    »Den müßt Ihr Euch auch ansehen. Von allen Ratten, die sich in Abwesenheit des Herrn an dem Gut bedient haben, ist er die
     fetteste, größte und schlaueste.«
    »Monsieur de Saint-Clair«, sagte ich, »ich danke Euch tausendmal für Eure Offenheit und tausend Dank auch für Eure Hilfe.
     Ich wäre gegebenenfalls sehr glücklich, wenn Ihr mir beides in anderer Form weiterhin bezeigen würdet.«
    Mit dieser Redensart meinte ich, dem Einfall, der in mir keimte, Rechnung zu tragen, ohne daß damit zuviel noch zuwenig gesagt
     war. Saint-Clair faßte es auch so auf, denn in seinen Augen erschien ein frohes Leuchten. So verließen wir einander im stillschweigenden
     Einverständnis und in der Hoffnung, uns wiederzubegegnen.
    Weil Orbieu nicht sehr weit von Le Chêne Rogneux und noch näher bei dem Gut von La Surie lag, erboten sich mein Vater und
     der Chevalier, mich auf meiner Erkundungsreise zu begleiten, denn bestimmt hatten sie viel mehr Kenntnis und Erfahrung als
     ich, um den Wert von Feldern, Weiden und Wäldern einzuschätzen.
    »Ein Titel ist gut und schön«, sagte mein Vater, »aber wenn nichts dazukommt, meine ich, ist er nur Schmuck und Eitelkeit.
     Um Euch ein klares Bild von Eurem künftigen Besitz und von den erforderlichen Geldern zu seiner Instandsetzung zu machen,
     müßt Ihr sehr auf der Hut sein, immer eine Pfote vor, die andere zurück.«
    »Marquis«, sagte La Surie, »mir scheint, Euer Herr Vater, der Baron von Mespech, pflegte ganz Ähnliches auszudrücken, wenn
     er sagte, man dürfe nicht die Katz im Sack kaufen.«
    »Ja, mein Vater wußte immer eine Reihe périgordinischer Sprichwörter«, sagte der Marquis de Siorac, und dabei lächelte er
     melancholisch. Wir hatten nämlich erfahren, daß es dem Baron von Mespech gar nicht gut ging. Vor allem, daß er in sich |43| gekehrt blieb, ohne Scherz, ohne Heiterkeit, ohne Pläne, erschien uns als ungutes Zeichen, doch wagten wir dies nicht auszusprechen,
     um das Schicksal nicht herauszufordern.
    ***
    Das Schicksal wollte es, daß mein Vater und La Surie die verabredete Reise nach Orbieu allein machten, gerüstet mit den besagten
     Briefen, einem für die »Ratte« und einem für Séraphin. An dem Tag nämlich, den wir dafür festgesetzt hatten, konnte ich nicht
     umhin, mit Ludwig und seinem ganzen Kronrat in die Normandie zu gehen: Seine Majestät hatte in Rouen eine Versammlung von
     Notabeln zu eröffnen, die ihm von den graubärtigen Ministern eingeredet worden war und auf der darüber beraten werden sollte,
     wie man die Mißbräuche im Staat abschaffen könnte.
    Warum diese Versammlung in Rouen stattfand und nicht in Paris, kann ich nicht sagen, und warum Ludwig, wenn die Beratungen
     am 4. Dezember eröffnet werden sollten, bereits am 14. November von Saint-Germain-en-Laye aufbrach und acht Tage in Dieppe
     zubrachte, kann ich ebensowenig erklären, es sei denn damit, daß Ludwig voll Begeisterung die Städte und ihre Bewohner besuchte,
     deren König er war, ganz anders hierin als sein Sohn, den seine Größe dereinst an Versailles fesseln wird.
    Der Leser möge mir aber erlauben, daß ich die Chronologie ein wenig umkehre – die Erbsünde der Memoirenschreiber – und zunächst
     ein paar Worte über diese Notabelnversammlung zu Rouen verliere, ehe ich auf Ludwigs Woche in Dieppe zu sprechen komme.
    Die Idee, eine Versammlung von Notabeln einzuberufen, war dem subtilen Geist der graubärtigen Minister entsprungen, wahrscheinlich
     weil sie ihre Rückkehr in die Regierungsgeschäfte durch ein feierliches Ereignis krönen und damit beweisen wollten, wie sehr
     ihnen das öffentliche Wohl am Herzen lag.
    Dies aber hatten sie sehr schlau angefangen, indem sie die Teilnehmer selbst bestimmten. Vertreten waren außer ihnen und dem
     Kronrat elf Bischöfe, dreizehn Adlige und siebenundzwanzig Mitglieder des Dritten Standes, und zwar in erlesener |44| Auswahl: Gerichtspräsidenten, Präsidenten der Rechnungshöfe, Präsidenten der Berufungsgerichte, alle reich versehen mit Pfründen,
     Ämtern und Einfluß, ebenso wie ihre Söhne, Schwiegersöhne und Neffen. Der Leser wird unschwer folgern, daß die Graubärte von
     diesen wohlhabenden und

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