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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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der Schwertadel.
    Mit wieviel Wonne begrüßten darum die Adligen den Beschluß der – sämtlich mit Ämtern versehenen – Notabeln, sich auf dem Altar
     des öffentlichen Wohls zu opfern. Allerdings hätten sie diesen Schlaubergern besser mißtrauen sollen, die zwar kein Schwert
     handhaben konnten, aber mit dem Gehirn desto behender waren. Denn im selben Atemzug, in dem sie den Tod der Paulette beschlossen,
     wiesen sie darauf hin, daß deren Abschaffung dem Schatz einen jährlichen Verlust von 1500   000 Livres bescheren werde, ein Verlust, sagten sie, der durch keine Steuererhöhung auszugleichen sei. Im Klartext hieß das,
     weil man keine anderen Ressourcen hatte, um den Verlust der Paulette wettzumachen, war diese, wenngleich zum Tode verurteilt,
     genötigt weiterzuleben. Scheinheiliger ging es nicht.
    Zum Abschluß, am 29. Januar 1618, wurden die Notabeln mit großem Pomp von Ludwig in seinem Schloß Madrid empfangen, das sich
     im Bois de Boulogne, unweit von Neuilly befand. Wie üblich dankte Ludwig ihnen allen für ihre Mühe und Arbeit und schickte
     sie nach Hause. Hierauf erließen die Graubärte ein Edikt mit den zweihundertdreiundvierzig Artikeln, auf die man sich geeinigt
     hatte, die Veröffentlichung aber ließen sie bleiben, und nie führten sie auch nur eine der Reformen aus, die sie selbst vorgeschlagen
     hatten. Entgegen ihrem Ruf, überaltert zu sein, hatten die Graubärte sich als Erneuerer und Staatsreformer erweisen wollen.
     Nachdem sie ihre guten Absichten bezeugt hatten, zogen sie sich in ihr Schneckenhaus und auf ihre Standesprivilegien zurück,
     ließen die Welt, wie sie war, und führten weiter die Geschäfte.
    An diesem Punkt nun laß mich umkehren, Leser, und dir von Ludwigs Aufenthalt in Dieppe erzählen, nicht weil sich dort etwas
     von politischer Konsequenz zugetragen hätte, sondern weil diese Woche in meiner Erinnerung einen unbestimmbaren Zauber bewahrt,
     der vielleicht spürbar wird, wenn ich davon erzähle.
    ***
    Es war nicht das erste Mal, daß Ludwig sich in unsere westlichen Provinzen begab, aber es war das erste Mal, daß er bis |47| Dieppe kam. Er traf um zwei Uhr nachmittags ein, und weil es dort keinen Bischofspalast gab, wurde er im Gasthaus
Zum Wappenschild der Bretagne
logiert, das mit der Rückseite gegen den Fischereihafen lag, sicherlich zum Schutz gegen Wetter und Wind. Aber Ludwig, der
     durch ein rückwärts schauendes Kabinettfenster das Meer gesehen hatte, lief die Treppe hinunter und ums Haus herum, daß seine
     Offiziere kaum folgen konnten: Er wollte den Hafen von nahem sehen. Er war begeistert, und während er langsam das Becken umschritt,
     hielt er bei jedem Schiff und stellte Fragen über Fragen nach Segeln und Takelage, die ihm nur die Fischer selbst hätten beantworten
     können, wenn sie nicht nur normannisches Platt gesprochen hätten. Ludwig ließ sich laut darüber aus, daß die meisten Kähne
     ziemlich unschön mit Planken verstärkt und ausgebessert waren, aber daß sie dafür alle frisch gestrichen waren, und in leuchtenden
     Farben. Nach einer Weile bemerkten die Fischer, die überall an Deck den nächtlichen Fischzug vorbereiteten, seine Anwesenheit
     und sein Interesse, und weil sie wußten, daß er im
Wappenschild der Bretagne
abgestiegen war und ihn als den erkannten, der er war, begrüßten sie ihn mit Beifall. Ludwig zog ernst seinen Hut vor ihnen,
     sagte aber kein Sterbenswort, was alle anderen, die zugegen waren, mit Bedauern erfüllte, denn sein Vater hätte an seiner
     Stelle bestimmt einen Dolmetsch gefunden, vielleicht die Wirtin, die gut Französisch sprach, und hätte mit den Fischern eines
     jener vergnüglichen, warmherzigen Gespräche geführt, die sein Geheimnis waren.
    Als ich am nächsten Tag, dem neunundzwanzigsten November, sein Zimmer im
Wappenschild
betrat, traf ich nur Soupite und Berlinghen an, die mir sagten, Seine Majestät stehe seit über einer Stunde am Fenster des
     kleinen Kabinetts zum Meer hinaus und werde sich noch den Tod holen, denn durch die Fensterritzen blies ein scharfer Wind.
     Héroard mußte die gleichen Befürchtungen gehegt haben, denn er hatte ihm einen Mantel um die Schultern gelegt, ohne daß Ludwig
     es merkte.
    Ich fand ihn dicht an der Fensterscheibe, wie er nach den Fischerbooten ausschaute, die eins nach dem anderen dem Land zustrebten,
     zurück vom nächtlichen Fang und die Segel gerefft, denn die Brandung ging hoch, und sie hatten große Mühe an der Einmündung
     der Arque,

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