Rosen des Lebens
auf die Wirtin. Sie trifft keine Schuld.
Ich bin hier auf Befehl des Königs, und Seiner Majestät müssen wir alle gehorchen, Ihr, sie und ich.«
Das stopfte unserem Tronçon den Mund, die Wirtin ging und schloß hinter sich die Tür.
»Herr Chevalier«, sagte der lammfromm Gewordene, und seine Stimme verriet gelinden Schrecken, »läßt der König mich suchen?«
»Nicht ganz. Er hat mir nur befohlen, Euch aufzusuchen, damit Ihr mir seine weiteren Intentionen erklärt.«
»Ach, das ist es!« sagte er unendlich erleichtert. »Und darf ich fragen, Herr Chevalier, von wem Ihr erfahren habt, daß ich
hier bin?«
»Um Vergebung«, sagte ich, nun meinerseits geheimnisvoll, »das kann ich Euch nicht verraten.«
Und ohne daß er mich dazu aufgefordert hätte, nahm ich kurzerhand auf einem Schemel an seinem Kopfende Platz. Meine Augen
hatten sich inzwischen an das Halbdunkel gewöhnt, ich sah jetzt einigermaßen deutlich Tronçons Kopf, und mir schien, daß er
mit einem Verband umhüllt war.
»Was habt Ihr denn, Monsieur Tronçon«, rief ich, »seid Ihr verletzt?«
»Ach, verletzt, Herr Chevalier! Zerschunden bin ich! Und die am Kopf ist nicht meine schlimmste Wunde, obwohl sie sehr geblutet
hat! Ach, Herr Chevalier, zur Strafe für meine Sünden bin ich unter die Räuber gefallen! Vor drei Tagen, wie ich nichtsahnend
durch die Rue du Chantre komme, greifen mich doch drei Strolche an, ich werde zusammengeschlagen, meiner Börse beraubt und
wie tot auf dem Pflaster liegengelassen. Ich hatte gerade nur die Kraft, mich zu diesem Gasthof zu schleppen, die gute Wirtin
nahm mich auf, brachte mich zu Bett und hat einen Doktor gerufen.«
»Konntet Ihr Euch denn nicht nach Hause bringen lassen?«
»Auf keinen Fall. Ich hätte meine Frau Gemahlin in zu große Sorgen gestürzt, sie hat ein so schwaches Herz, daß sie bei jeder
Aufregung in Ohnmacht fällt. Darum habe ich sie sofort über mein Ausbleiben beruhigen wollen und ihr durch einen Laufburschen
ausrichten lassen, ich sei mit dem König |37| nach Saint-Germain gefahren. Herr Chevalier«, setzte er mit einer Zerknirschung hinzu, die mir ein bißchen übertrieben vorkam,
»darf ich Euch bitten, von meiner Anwesenheit hier niemandem ein Wort zu sagen?«
»Ich verspreche es.«
Während ich dies aussprach, trafen meine Augen am Boden zufällig auf eine halb unters Bett geschobene, halboffene Börse voll
blinkender Taler. Hatte Tronçon zwei Börsen bei sich gehabt? Was für zartfühlende Räuber, daß sie ihm wenigstens eine gelassen,
nachdem sie ihn durchgeprügelt hatten! Daraus schloß ich – und Sie, Leser, hätten nichts anderes getan –, daß der gute Mann
mir einen Bären aufgebunden hatte.
»Versprecht Ihr es wirklich?« beharrte Tronçon.
»Monsieur«, versetzte ich kalt, »ob man Euch Eure Börse geraubt hat oder nicht und weshalb Ihr Euch von Eurem Überfall lieber
hier erholt anstatt daheim, was schert es mich. Ihr habt mein Wort und müßt nicht bezweifeln, daß ich es halte.«
»Herr Chevalier«, sagte er, nachdem er ein Weilchen gebraucht hatte, meinen zarten Rüffel zu verdauen, »ich danke Euch ergebenst.«
Bei einiger Betrachtung, trotz des Halbdunkels, konnte ich diesem Tronçon wenig abgewinnen. Sein Gesicht hatte dieses zugleich
Weichliche und Harte, das sowohl auf Hochmut wie Servilität hindeutet, und mir erschien es sehr fraglich, ob er Ludwig lange
der gute Diener sein würde, als den er sich ausgab.
»Um denn auf Eure Angelegenheit zu kommen«, sagte Tronçon, indem er sich plötzlich im Bett aufsetzte und seinen Verband zurechtrückte,
als trüge er eine Krone. »In dem Wunsche«, fuhr er fort, »die Dienste zu belohnen, welche Ihr Unserer Person im Verlauf Unserer
Unternehmung gegen den Verräter Concini geleistet habt, haben Wir beschlossen, Euch eine Summe von zweihunderttausend Livres
zu übereignen, deren eine Hälfte Euch ermöglichen soll, das Gut der Gräfin von Orbieu zu kaufen, und mit deren anderer Hälfte
Ihr das Schloß baulich herrichten und den Besitz instand setzen mögt, dessen Erträge derzeit auf so gut wie nichts gesunken
sind. Die Gräfin, die seit dem Tod des Grafen in Paris wohnhaft ist und an der Gutsführung kein Interesse hat, lebt von sehr
geringen Einkünften und möchte verkaufen, um den Erlös des Gutes beim |38| Florentiner Pfandhaus mit zwanzig Prozent Zinsen anzulegen. Ein hervorragender Gewinn«, bemerkte Tronçon ohne seinen königlichen
Tonfall,
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