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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Stunden!
     Das war viel für ein Scheitern. Für eine Liebesnacht wiederum war es etwas wenig, jedenfalls wenn ich nach meiner eigenen
     Lehrzeit urteilte. Allerdings hatte ich mit Toinon nicht jene Ängste erleben müssen, denen mein armer König ausgeliefert war.
    Wie ich die Dinge nun erwog, um mir eine Meinung zu bilden, schob Héroard seinen Bauch herein. So leise ich konnte schoß ich
     bei seinem Anblick von meinem Sitz empor und eilte seiner Korpulenz entgegen, und noch ehe ich den Mund aufmachte, erhoben
     meine Augen glühend die Frage, die mich bewegte.
    »Zweimal!« sagte er
sotto voce
, indem er zwei Finger seiner Rechten aufstreckte, und zwar mit so stolzer Miene, als hätte er selbst die
perfezione
der königlichen Ehe vollbracht.
    Schöne Leserin, vergeben Sie mir, daß ich im folgenden Ihr Schamgefühl durch krude Worte verletzen muß, aber Héroard als Mediziner
     kannte darin keine Zurückhaltung.
    »Zweimal!« wiederholte er. »Er hat ihn zweimal dringehabt.«
    »Seid Ihr dessen sicher, ehrwürdiger Doktor der Medizin?«
    »Haec omnia nec inscio!«
sagte Héroard mit einer gewissen Feierlichkeit.
    In diesem Satz, schöne Leserin, erkennen Sie zwei Negationen. Und wenn Sie Ihr Latein nicht ganz vergessen haben, werden Sie
     wissen, daß die zweite Negation die erste aufhebt und somit der Bejahung desto mehr Kraft verleiht.
Haec omnia nec inscio
ist also zu übersetzen: Alles dies weiß ich ganz genau.
    Sofort ließ ich mich von dieser Wahrheit überzeugen. Denn woher sollte Héroard seine so gewiß behauptete Kenntnis haben, wenn
     nicht von Madame du Bellier? Und wer konnte am Wort der liebenswürdigen Dame zweifeln, die schließlich wußte, wovon sie sprach,
     hatte sie doch zwei vor Gott angetraute |183| Ehemänner gehabt, ohne die Bettgefährten ihrer Witwenschaften zu zählen, und wird bei ihrer langen Nachtwache ja wohl Augen
     und Ohren aufgesperrt haben.
    Ludwig erwachte um neun Uhr, und während Héroard ihm den Puls fühlte, spähte ich verstohlen in sein Gesicht. Ich meinte eine
     gewisse Mattheit zu erkennen, doch ich sah weder Freude, noch sah ich Traurigkeit. Allerdings beherrschte der König seit langem
     seinen Gesichtsausdruck. Dieses Talent hatte er teuer erworben, unter der Regentschaft hatte er lernen müssen zu heucheln,
     um sich gegen die ständige Bespitzelung zu wappnen, von der er umgeben war.
    Nach dem Frühstück hörte er in der Turmkapelle die Messe, dann hielt er im Bücherkabinett den Kronrat ab, danach speiste er
     in seinen Gemächern zu Mittag. Bei alledem begleitete ich ihn: Er wahrte die ganze Zeit sein undurchdringliches Gesicht. Für
     mich war es ein gleichförmiger Morgen wie jeder andere. Aber auf einmal horchte ich auf: Ludwig kündigte an, er wolle die
     Königin besuchen.
    Anna enttäuschte meine Erwartung nicht. Ich sah sie rosig, erbebend, wie von Stolz erfüllt, nun Weib geworden zu sein, und
     zugleich hatte sie binnen einer Nacht ihren spanischen Hochmut abgeworfen. Die beiden jungen Gatten, die an diesem hellen
     Januartag sehr erfreulich anzusehen waren, sprachen im Stehen, wie es Vorschrift war, aber vielleicht einander ein wenig näher
     als sonst. Mehrmals deutete Annas Hand eine ihrem Mann zugewandte Geste an. Mir schien, daß sie den König gerne berührt hätte,
     doch sie zügelte sich, weil sie nicht wußte, ob die Etikette es erlaube. Ich konnte Ludwigs Gesicht nicht sehen, weil er mir
     den Rücken zukehrte. Er redete wenig und nur Belangloses, und ich wäre ziemlich enttäuscht gewesen, weil ich mir mehr Wärme
     erwartet hatte, wenn ein zufälliger Blick auf meine Uhr mich nicht eines Umstands versehen hätte, der mich aufheiterte: Dieser
     Besuch, der bis zum fünfundzwanzigsten Januar 1619 zehn Minuten der Zeit Seiner Majestät zu beanspruchen pflegte, dauerte
     bereits eine halbe Stunde.
    Darum überraschte es mich um so mehr, als Ludwig am Abend zeitig zu Bett ging und allein. Um halb elf lag er schon in festem
     Schlaf. Gewiß, er hatte am Nachmittag einige Stunden gefochten, weil er wegen des stürmischen, eisigen Wetters nicht hatte
     jagen können, und so dachte ich mir, auch wenn die |184| Müdigkeit ihn so schnell ergriffen hatte, würde er, wenn er nachts aufwachte, sich seiner Königin entsinnen. Nichts war es
     damit. Er schlief durchweg elf Stunden.
    Am nächsten Tag besuchte er die Königin zweimal, das erste Mal nach dem Mittagessen, aber nur kurz, und das zweite Mal am
     Abend. Und dieser Besuch dauerte fast eine

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