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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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wenigstens einen Bissen
     zu mir zu nehmen. Und als ich wiederkam, traf ich den König mit verschlossenem, mürrischen Gesicht in der Galerie, im Begriff,
     der Königin einen seiner protokollarischen Besuche abzustatten, die zehn Minuten dauerten und bei denen sie stehend keine
     zehn Worte wechselten. Ich war der einzige anwesende Kammerherr und folgte ihm.
    Mit einer Woche Unterschied waren König und Königin im selben Alter, und beide würden in sieben Monaten ihr achtzehntes Jahr
     erreichen. Das Schlimme war aber, daß sie gegeneinander so bittere Gefühle hegten. Und das war ein Jammer, denn Ludwig mangelte
     es nicht an Ansehnlichkeit, er hatte einen kräftigen Körper und ein männliches Gesicht, und wenn Anna auch nicht die Schönheit
     war, die von den Malern und Hofpoeten in den Himmel gehoben wurde, fand ich sie doch hübsch und anziehend mit ihrem reichen
     und lockigen blonden Haar, ihren großen blauen Augen, ihrem kleinen Purpurmund und ihrem sehr anmutig gebildeten Gesicht.
     Wollte man strenger sein, was ich freilich nicht war, hätte man bemängeln können, daß die Nase im Verhältnis zur Gesamtheit
     ihrer Züge ein bißchen groß war. Der Seele oder dem Geist, wie man will, der diese reizende Hülle bewohnte, eigneten sprudelnde
     Fröhlichkeit, ursprüngliche Lebhaftigkeit, weiblicher Charme und gegebenenfalls viel liebendes Empfinden; woran es aber fehlte,
     waren Gewandtheit, Besonnenheit und Urteil.
    |177| Als verlassene Gemahlin, bevor sie überhaupt erobert worden war, litt sie schwer unter dieser Kränkung sowohl in ihrem Stolz
     wie in ihrem Fleisch. Wäre sie jedoch klüger gewesen, hätte sie bei diesen täglichen Besuchen trotzdem nicht auf Ludwigs verlegene
     Komplimente in jener frostigen, distanzierten, geradezu hochfahrenden Weise geantwortet, die sie an den Tag legte. Denn für
     Ludwig war dieses Betragen ein zusätzlicher Panzer, der ihm diesen Körper, der ihm ohnehin Angst machte, noch uneinnehmbarer
     erscheinen ließ.
    Aber es hätte zweifellos größerer Erfahrung bedurft, als sie sie haben konnte, oder aber der Einfühlung, um zu verstehen,
     daß von ihnen beiden er der am meisten Bangende war und daß sie besser Verführung und Zärtlichkeit angewandt hätte, als sich
     hinter ihrem kastilischen Hochmut zu verschanzen.
    Zwei Schritt hinter Ludwig und ein wenig links von ihm stehend, betrachtete ich die Königin. Ich bewunderte ihre Anmut, und
     weil ich wußte, was sie seit vier Jahren im stillen litt, hatte ich großes Mitleid mit ihr, aber gleichzeitig ärgerte es mich,
     daß sie die Nase so hoch trug. Ach, wenn sie gewußt hätte! Dies war wirklich nicht der Augenblick, so stocksteif zu sein!
     So Habsburgerin und Spanierin! Aber vielleicht, dachte ich, hat sie durch den Nuntius Ludwigs offizielles Versprechen, die
perfezione
seiner Ehe betreffend, erfahren und weiß durch Madame de Luynes von der erotischen Lehrstunde, die der Herzog d’Elbeuf Ludwig
     erteilt hatte, und hatte sich folglich in Hoffnungen gewiegt, die der Vorabend wieder einmal vernichtet hatte. Dann wäre ihre
     Bitterkeit abermals angewachsen durch diese Enttäuschung, die auf so viele andere im Lauf der Jahre gefolgt war.
    Der König verließ die Gemächer der Königin um Punkt zehn Uhr abends, wie ich durch einen raschen Blick auf meine Taschenuhr
     feststellte, denn ich war müde. Seit ich den Kronrat um vier Uhr betreten hatte, war ich auf den Beinen und spürte nicht nur
     meine Füße, sondern auch mein Kreuz. Doch weil Ludwig keine Anstalten machte, mich zu beurlauben, wagte ich nicht, ihn darum
     zu bitten, denn er hatte seine anderen Begleiter bis auf die beiden Kammerdiener und Héroard weggeschickt. Außerdem hielt
     er die Augen gesenkt und die Lippen geschlossen, daß kein Strohhalm hindurchgepaßt hätte, wirkte sehr gequält und sah niemanden
     an, nicht einmal Soupite und |178| Berlinghen, die ihn auskleideten. Auch stieß er, als Soupite wie jeden Abend seinen fröstelnden Körper mit der Bürste abrieb,
     nicht einen der knurrenden Laute aus, mit denen er diese Wohltat für gewöhnlich begrüßte. Und als Berlinghen ihm das Nachthemd
     überstreifte, schalt er ihn, aber mit einer müden, wie abwesenden Stimme, daß er vergessen hatte, es vorher am Kaminfeuer
     anzuwärmen.
    Schließlich streckte er sich lang im Bett, schloß die Augen, faltete die Hände und betete leise. Nachdem er geendet hatte,
     trat Héroard zu ihm und reichte ihm eine Schale Tee. Auf einen Ellbogen

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