Rosen für Apoll
tretend nach Hellas blickte, sah er das ganze Rudel mit schlagenden Flanken stehen.
Er war ein mittelgroßer, gedrungener, klobiger Mann und einäugig. Sein Wesen war wie sein Charakter undurchsichtig; bald von der burschikosen Freundlichkeit eines Holzfällers, bald lauernd ironisch; bald ehrfürchtig staunend und wißbegierig, bald herzlos und brutal; immer aber und alles an ihm überschattet von einer mühsam verborgenen bäuerlichen Unbildung.
Das war Philipp II., König der Makedonen, Vater von Alexander dem Großen, der »Karl der Große« des Altertums. Genau wie dieser ein Phänomen an Kraft und Weichheit, Disziplin und Amoral; wie dieser nicht der echte Thronfolger, sondern durch Gewalt zur Macht gekommen, klug, überzeugend, gierig nach Wissen, ein Faß ohne Boden für die Pädagogen seines Hofes; ein Mann mit hundert Augen und Ohren, der Schrecken seiner Beamten. Sogar seine sieben Gemahlinnen, die er verbrauchte, ähneln denen Karls. Und wie dieser hat er es fertiggebracht, die Nachwelt glauben zu lassen, daß er eine »Idee« hatte; jene Idee, auf die die Chirurgen der Weltgeschichte so unendlichen Wert legen und nach der sie die Gehirne aller toten Staatsmänner mit dem Skalpell durchwühlen. Philipps »konstruktive Idee« war die Idee Karls des Großen, ein möglichst großes, geschlossenes, gesichertes, wohlhabendes Reich zu schaffen. Es gab keine Stadt in Hellas, die diesen Sonntagseinfall nicht auch schon gehabt hätte.
Wer die Makedonen waren, ist bis heute nicht bewiesen. Die Meinungen gehen weit auseinander. Die Griechen nannten sie »Barbaren«, womit sie alle Völker bezeichneten, die nicht Hellenen waren. Wußten sie es also, oder wußten sie es nicht? Daß der Ausdruck Barbaren, wie manche Historiker vermuten, nicht rassisch, sondern kulturell gemeint war, ist ganz unwahrscheinlich. Die Griechen haben sogar ihre finstersten, hinterwäldlerischsten Volksgenossen in den epeirischen Bergen Hellenen genannt; in Pella, der makedonischen Hauptstadt, waren längst griechische Sitten eingeführt, Euripides verlebte dort seine letzten Jahre, Zeuxis und Apelles malten ihre Fresken und Porträts, und Nikomachos, der Vater des Aristoteles, war des Königs Leibarzt.
Daß die Makedonen wie die Griechen Indogermanen waren, ist sicher. Daß sie ein thrakisch-illyrisch-makedonisches Mischvolk wurden, ist ebenso gewiß. Und daß sie sich, seit ihre Kultur griechisch wurde, sehr unwohl in dieser Rolle eines scheckigen Barbarenvolkes fühlten, beweisen ihre vielen, oft recht komischen Versuche, wenigstens für das Königshaus griechische Ahnen zu erfinden. Es war ein stolzer Tag, als zum erstenmal ein makedonischer Prinz bei den Olympischen Spielen zugelassen wurde, weil er »vor den Hellanodiken den Nachweis geführt hatte, daß er aus Argos stamme«! Es war die offizielle feierliche Anerkennung der makedonischen Königsfamilie. Sie erfolgte in einer Zeit, als das stärkste Beweismittel auf allen Gebieten bereits das Geld war.
Geld hatten sie. Von alters her waren sie die Holzlieferanten für die Werften ganz Griechenlands und Kleinasiens. Auch das Pech und Harz kam, als der Verbrauch immer mehr stieg, aus Makedonien. Bei jedem in den Grund gebohrten Schiff rieben sich die Makedonen die Hände. In aller Stille sammelte sich ein Reichtum an, der es ihnen erlaubte, sich langsam die modernsten Waffen, die man kaufen konnte, zuzulegen, die allerneuesten Konstruktionen an Wurfmaschinen und Bleikugelschleudern, die solidesten Häuser, die feudalste Ritterschaft, die bestfunktionierende Verwaltung, das zufriedenste — weil bescheidene und vernünftige — Bauerntum. Im Königshaus ging es zu wie am Hofe Karls des Großen, aber es erweckte keinen Neid, keine Ressentiments; es war nicht sybaritisches Wohlleben, es war, genau wie bei dem Karolinger, ein Rabaukentum, das jedermann verstand. Die Teller waren silbern, aber man wußte, daß auch nichts anderes darauf lag als eine Rehkeule. Und als die Wand der Königshalle noch nicht von Zeuxis bemalt war, da flogen die Knochen durch die Luft, wenn es den Herren Spaß machte. Wer my-kenische Atmosphäre kennenlernen, wer sich noch einmal ein bißchen in die homerische Zeit zurückversetzen lassen wollte, der mußte nach Pella reisen. In Makedonien gab es noch die aus der frühesten Geschichte stammende Heeresversammlung aller Waffentragenden, die den neuen König bestätigte oder durch Zurufe und Schlagen an die Schilde kürte; und wie einst die Myrmidonen Achills, so
Weitere Kostenlose Bücher