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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Warum vereinigten sich die achaischen Fürsten nicht, wie sie sich vor Troja vereinigt hatten? Warum schloß man nicht die Tür zum Peloponnes, die Landenge von Korinth? Es ist doch undenkbar, daß jeder auf seiner Burg wartete, bis die Reihe an ihn kam? Wie konnte das geringe Material an Waffen und Handwerkszeug, das die Dorer bestenfalls mit sich führten, ausreichen, Mykene zu stürmen? Warum konnte Tiryns, die nächste Festung in Sichtweite, das nicht verhindern? Lauter unbeantwortete Fragen, wenn man sich der allgemeinen Meinung anschließt, daß die Dorer Jahrzehnte, vielleicht sogar ein Jahrhundert gebraucht haben, um den Peloponnes zu erobern. Schließt man sich aber dieser Meinung nicht an, dann wird die Sache sehr interessant!
    Nichts hindert uns anzunehmen, daß zur Zeit der Dorischen Wanderung, also kurz vor 1000, die alten achaischen Fürstengeschlechter längst nicht mehr die Helden waren, die in der Ilias besungen werden. Die goldenen Schüsseln, meine Freunde die goldenen Schüsseln! Es ist der Lauf der Welt: Vor den Untergang haben die Götter die goldenen Schüsseln, nicht die Kohlrüben gesetzt! Der letzte Herr von Mykene, Urenkel Agamemnons, hatte zu hohen Blutdruck, das ist alles. Vieles hatte sich verändert in den letzten hundert Jahren der mykenischen Epoche. Hundert Jahre sind eine lange Zeit, genug zum Niedergang; heute schafft’s manches Volk sogar schon in zehn. Das mykenische Königtum war verstädtert, und Verstädterung bedeutet bei jedem Feudalsystem Aufweichung, daran ist kein Zweifel. Uns ist zum Beispiel bekannt, daß um das Jahr 1200 die ursprüngliche Vasallensiedlung am Fuß der Festung Nauplia eine Stadt geworden war und an Reichtum und Einfluß die fürstliche Burg längst überflügelt hatte. Man mag dieses Bild mit unserer Vorstellung von den alten Helden nicht vereinen, aber wenn wir ihre Urenkel richtig sehen wollen, so müssen wir sie uns auf ihren Burgen schon fast verlassen vorstellen. Es ist leider so; Urenkel sehen so aus, nicht nur in Hellas. Mit Mykene ging das Königtum ja überhaupt zu Ende; es wiederholte sich in der griechischen Geschichte nie mehr. Schon Homer konnte sich eine Monarchie alten Stiles nicht mehr richtig vorstellen.
    Ist es nun noch unerklärlich, daß Mykene, Tiryns, Nauplia, Midea, Larisa, Amyklai nacheinander und einzeln von den Dorern überrannt wurden?
    Und wenn wirklich noch etwas unklar ist, will ich Ihnen sagen, wer die Dorer waren: Es sind die späteren Spartaner! Die Preußen unter den Griechen — das Wort stammt zum Glück nicht von mir.
    An dieser Stelle angelangt, wollen wir uns ein Sternchen und eine kleine Atempause gönnen, denn ich kann Ihnen beruhigend versichern, daß für die folgenden 500 Jahre ähnliche Springfluten oder Katastrophen von der Art, wie sie die Historiker aus sicherer Entfernung »Blutauffrischung« zu nennen pflegen, nicht mehr zu erwarten sind. »Die Welt ist hingegeben«, die griechische Erde ist nun unter lauter Griechen verteilt; alle Darsteller befinden sich auf der Bühne, das Spiel kann beginnen.
    Wie bei den Griechen nicht anders zu erwarten, begann es nicht.

    *

    Kein Homer berichtet von der »Dorischen Wanderung« und von dieser Jahrtausendwende riesiger Umwälzungen. Wir wüßten, wenn nicht die Archäologen und Gräzisten in mühevoller Kleinarbeit die Spuren gefunden hätten, nichts. Nur in der Sage von der »Rückkehr der Herakliden« erinnerte sich das Volk dunkel an die Vorgänge. Die Dorer in Gestalt der Söhne des Herakles zu sehen, ist ein Zeichen, wie sicher die Volksseele das Bild vergangener Gestalten erahnt. Es waren wirklich Herakliden; und die Spartaner, die Prototypen der Dorer, haben ihr Leben lang die Arbeit des Herakles fortgesetzt: den Versuch, den Stall auszumisten. Wer die menschliche Natur kennt, weiß, daß es ihnen nicht geglückt ist. Das ist wohl gut so. Das Leben mag Mist gern. Daher kommt es, daß man Sparta bewundert, aber Athen liebt.
    Doch das ist weit vorgegrifien. Zunächst müssen wir uns einmal darüber klarwerden, wie jetzt die Landkarte eigentlich aussieht. Im Vorübergehen verständigen wir uns dann noch über einige Dinge, die dazugehören.
    Die Landkarte —
    Ach, zuvor muß ich Ihnen noch etwas sagen: Sie sind sich doch hoffentlich bewußt, von welch winzigem Fleckchen Erde wir sprechen? Es nennt sich zwar »Wiege der Menschheit« und Schauplatz dessen, was wir mit »Geschichte des Altertums« bezeichnen, aber wir wollen nicht zu laut davon reden.

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