Rosen für Apoll
sie bemerkten nicht, daß Mardonias gefallen war. Endlich hatten sie den Anschluß an die Athener erreicht; der persische Durchbruch, der das Ende der Schlacht und das Ende der griechischen Freiheit gewesen wäre, war mißglückt.
Nach dieser unvorhergesehenen Krise scheint sich die Kampflage völlig geändert zu haben. Die Athener, am weitesten vorgeprellt, sahen bereits das persische Lager in Reichweite und faßten noch einmal alle Kräfte zusammen. Da gaben die Perser endgültig die Schlacht verloren und flohen. Die Flut rollte zurück, mühsam gelenkt von den Generälen, weiter, immer weiter, über Theben hinaus, nordwestwärts in Richtung Thessalien.
Die Griechen wischten sich den Schweiß von der Stirn und erfüllten zunächst ihre vornehmste Aufgabe: das persische Lager zu plündern. Das war eine echte Feierstunde. Nachdem man dieser altehrwürdigen griechischen Tradition gepflogen, nachdem man Zeus gedankt, ihm ein Heiligtum auf dem Schlachtfeld versprochen und die hartgeprüfte Stadt Platää für künftig unverletzlich erklärt hatte, beschloß man sofort, in einem Zuge noch die Rechnung mit Theben zu begleichen.
Die gut befestigte Stadt, die eine lange Belagerung hätte aus-halten können, war mürbe und kapitulierte. Sie lieferte die führenden Männer der perserfreundlichen Partei aus, während sich die nicht minder perserfreundliche anonyme Masse, wie immer in der Welt, rasch wieder ins Privatleben zurückzog und die verdutzten Führer allein auf dem Kampfplatz der Ideen zurückließ.
Pausanias nahm, da man sich ja »an jemand halten« muß, und der Plebs, sobald es schiefgeht, nicht mehr »jemand« ist, Pausanias also nahm die thebanischen Führer, gedachte der überstandenen Gefahr, der Schrecken der niedergebrannten Städte, der Flüchtlinge und der Toten und ließ die Männer hinrichten.
Es waren die letzten Toten dieses Krieges.
Aus Thessalien, dann aus Makedonien und Thrakien kam die Nachricht, daß sich die Perser auf dem Wege in die Heimat befänden.
Der Kampf war beendet, Griechenland frei.
»Frei« — das Wort ist erst hier geboren worden. Wie ofl hatte man es vorher im Munde geführt, ohne zu wissen, wofür es eigentlich stand. Man hatte es benutzt für Kinkerlitzchen, für Wünsche, für Befriedigungen, für persönliche Vorstellungen, für Ungebundenheit, für mehr Macht, mehr Lust, mehr Recht, für lauter »Mehrs«, mehr Zeit, mehr Liebe, mehr Geld: Was für ein Irrtum war das gewesen! Es kratzte das Gold nicht einmal an der Oberfläche an.
Nach den Perserkriegen wußten die Griechen, was »frei« ist. Und wenn wir es wissen, dann auch von ihnen. Nicht Arminius und Vercingetorix, Johanna von Orleans und Prinz Eugen stehen vor unseren Augen auf, obwohl das unsere Welt ist, sondern das Bild Griechenlands, wehender Helmbüsche, kämpfender Hopliten und sterbender Leonidasse.
Die Not ist das Tor, durch das allein man zur Freiheit geht. Das unerbittliche Entweder-Oder, und nicht ein blasser Wunsch nach Besser oder nach Mehr ist der Aufbruch zur Freiheit. Den Griechen, ihren großen Geistern jedenfalls, ist mit den Perserkriegen ein starkes Gefühl der Dankbarkeit aufgegangen. Sie hatten es zuvor kaum besessen.
»Πόλεμος πάντων πατήρ«, »Der Krieg ist der Vater aller Dinge«, schrieb Heraklit, »und aller Dinge König.« Aber der Satz geht weiter! »Die einen erweist er als Götter, die anderen als Menschen. Die einen macht er zu Sklaven, die anderen zu Freien.«
Was wäre Griechenland ohne die Perserkriege? Sie erst offenbarten das Geheimnis, das um das Wort Freiheit ist. Freiheit kommt nirgends von selbst; sie ist nur da, wo sie gerufen wird.
... könnte lästiger ausgefallen sein. Das ist das Schwierige an der griechischen Geschichte, daß man manchmal nicht weiß, wo man überall zugleich sein müßte. Da wird gestritten, aufgestanden, revolutioniert, geflohen, verfolgt, bald in Kleinasien, bald in Sizilien, bald im Norden, bald im Süden, und an zwei großen Männern, Rettern des Vaterlandes, vollziehen sich echt griechische Schicksale. Der eine emigriert und wird Fürst, der andere remigriert und verhungert.
Als das Gewitter vorüber war und die Wolken sich verzogen hatten, überblickten die Griechen, in welcher Gefahr sie geschwebt hatten. Von einer großen Schlacht in Sizilien erfuhren sie überhaupt erst nachträglich: der Schlacht am Himerafluß; sie hatte gleichzeitig mit Salamis stattgefunden.
Das Ganze war ein großangelegtes Manöver von Xerxes
Weitere Kostenlose Bücher