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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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für Schritt verfolgen, wie er eine Laokoonfigur wird, ohne daß man die Hände sieht, die ihn einschnüren.)
    Spartas nächster, offizieller Schritt war, sich desinteressiert zurückzuziehen, sobald der Umsiedlungsplan verworfen war. Nun kam Athen in eine neue fatale Lage: Es trug die Verantwortung allein. Denn Ionien stand immer noch mit erwartungsvoll ausgebreiteten Armen da.
    Der Schachzug, mit dem Themistokles antwortete, sah zunächst aus, als sei er nichts als eine Notlösung: Athen schloß mit den wichtigsten ionischen Städten und Inseln feierlich ein »ewiges« Treue- und Schutzbündnis, den sogenannten »Delisch-Attischen Seebund«. Sparta war immer noch der Meinung, diplomatischer Sieger zu sein. Man rekapitulierte: Was hatte sich an der Lage Ioniens geändert? Nichts. Was hatte sich an der Lage Athens geändert? Es hatte eine zentnerschwere Verpflichtung am Bein.
    Die Geschichte aber hat bewiesen, daß Themistokles der Sieger in dem politischen Ringen blieb. Es war genial, aus dieser fürchterlichen Zwangslage Gold zu schlagen — übrigens pures Gold. Der Attische Seebund, seine letzte Schöpfung, wurde ein Wendepunkt für Athen, er wurde das Sprungbrett an die Macht über halb Griechenland. Entsetzt merkte es Sparta zu spät. Die Croupiers hatten ihr rien ne va plus gesprochen.
    Ich würde Ihnen jetzt gerne etwas über diesen Attischen Seebund erzählen, um zu zeigen, wie einfach die Sache war, verstünde jedoch, wenn Sie sagen würden: Meister, es ist uns offen gestanden egal, ob die Sache einfach war oder nicht; wenn es unbedingt sein muß, so sagen Sie uns, was Sie drängt, aber sagen Sie’s kurz.
    Zu Unrecht! Zu Unrecht! Wir erleben hier wirklich die Geburtsstunde des goldenen Zeitalters von Athen. Hier keimt der künftige sagenhafte Reichtum Athens, der aus der Stadt das Juwel Griechenlands machte, und hier keimt die künftige sagenhafte Unverschämtheit des Volkes, die aus der Stadt wieder eine Ruine werden ließ.
    Der Attische Seebund war die erste griechische Gemeinschaft, die in einer uns liebvertrauten Weise durchorganisiert war. Man schuf eine gemeinsame Kriegsflotte, zu der jedes Mitglied eine bestimmte Anzahl Schiffe zu stellen hatte. Wer dazu nicht imstande war, hatte Ersatzzahlungen zu leisten, die in eine gemeinsame Kasse flössen. Als Bundesbank wurde — um die Vormachtstellung Athens nicht gar zu aufreizend herauszustellen — der Apollon-Tempel der kleinen ägäischen Insel Delos bestimmt. Athen stellte eine Gruppe von Beamten zusammen, die die Bundesbank künftig zu leiten hatten. Sie nahmen in Delos ihren Wohnsitz. Die Beiträge sollten den früheren Tributzahlungen an die Perser entsprechen, nicht mehr und nicht weniger — es genügte. Die Summe, die zusammenkam, hatte eine schwindelnde Höhe: 460 Talente — ein Riesenvermögen. Die Bundesbank wurde von einem Tag auf den andern ein Machtfaktor.
    Treuhänder des Bundes war Aristides, »der Gerechte«, der alle Zeitläufe überstehende, untadelige, rechtschaffene und etwas langweilige, also geborene Beamte! Er hat seines Amtes auch stets mit zuverlässiger, dienender, amusischer und höhenflugfreier Sachlichkeit gewaltet. Er war jetzt endlich auf dem richtigen Platz.
    Der Seebund faßte als erste Aufgabe die Vertreibung der Perser aus Thrakien und die Sicherung der beiden Übergänge am Hellespont und am Bosporus ins Auge. Das sollte rasch geschehen, solange der Großkönig noch in innerpolitische Wirren verwickelt war. Die Bundesflotte versammelte sich, ein imposantes Aufgebot, ein hoffnungsfrohes Abenteuer — alles war gespannt und in Hochstimmung. Dann wurde ein Oberbefehlshaber ernannt. Es war, wie Sie sich nun bereits in Kenntnis des athenischen Volkes selbst sagen werden, nicht Themistokles, sondern ein neuer Mann.
    Er hieß Kimon.
    Ich kann Ihnen Kimon nicht besser vorstellen, als wenn ich Sie an zwei Männer erinnere, die wir gut kennen. Entsinnen Sie sich eines Kimon, der als dreifacher Olympiasieger nach Athen heimkehrte und auf geheimnisvolle Weise ermordet wurde? Und entsinnen Sie sich des Miltiades, Sieger von Marathon, der sich privat die athenische Flotte auslieh, um sich ein Fürstentum zu erobern? Zwei große Herren, zwei weltmännische, reiche, elegante Aristokraten: Diese beiden sind Kimons Vater und Großvater.
    Auch unser Kimon, der Enkel, war ein Mann von fürstlichen Manieren, für das Volk allein schon durch seine Herkunft, seinen Lebensstil, seine körperliche und geistige Tadellosigkeit eine

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