Rosen für Apoll
Aristides, Xanthippos, der Alk-maionide, und Kimon, Sohn des Miltiades. Von heute auf morgen verwandelten die seegewaltigen Athener sich wieder in Wüstenrot-Sparer. »Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.« Es fehlte nicht viel, so hätten sie ihre Schiffe versteigert. Immerhin lautete ihre Antwort an Mardonias abermals »nein«. Das war kühn.
Der Perser hatte es nun satt und marschierte in Attika ein. Die Athener flohen zum zweitenmal nach Salamis.
Inzwischen übten sich die Spartaner fleißig im Manöver, und die Periöken befanden sich bei der Feldarbeit, denn man gedachte, das Versäumte nachzuholen und eine gute Ernte zu machen. So löblich das sein mochte, die Athener waren schier verzweifelt. Sie schickten Xanthippos und Kimon nach Sparta, und den beiden gelang es endlich, die Ephoren von der schrecklichen Lage ganz Mittelgriechenlands zu überzeugen. Die Perser mußten geschlagen werden, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, bis vor den Isthmos von Korinth alles zu verlieren. Es war klar, daß in solcher Situation dann Xerxes in ein, zwei Jahren wieder mit einer Flotte dasein würde.
Jetzt kam Bewegung in die Kriegsmaschinerie der Spartaner. Man mobilisierte in Gedankenschnelle den ganzen Peloponnes und berief zum Oberbefehlshaber Pausanias, den Vormund des noch unmündigen Leonidas-Sohnes. Am Isthmos stießen die Athener, Platäer, Korinther, Ägineten und Mega-rer hinzu, das Heer wuchs auf fast dreißigtausend Mann an, das Höchste, was der Bund in diesem Augenblick aufbringen konnte, und mit dieser Streitmacht setzte sich Pausanias, ohne auch nur einen Blick auf Athen mitsamt seinem Mardonias zu werfen, nach Norden in Richtung Theben in Bewegung. Er marschierte also in den feindleeren Raum im Rücken der Perser.
Mardonias durchschaute die Taktik. So steht es in den Geschichtsbüchern.
Hier muß ich einen Augenblick unterbrechen. Welche Taktik durchschaute er eigentlich? Ich sehe keine. Ich sehe nur einen unerhörten Bluff der Spartaner. Ich fürchte, Mardonias wurde hier das Opfer einer Berufskrankheit, der Vorstellung nämlich, daß Generalstäbler immer etwas durchschauen müssen. Mardonias hätte in aller Ruhe in den Peloponnes einziehen können.
Jedoch, wen die Götter vernichten wollen, den lassen sie etwas durchschauen. Mardonias also durchschaute die Taktik und brach eiligst auf — ebenfalls nach Theben. Als die Griechen die Kithairon-Berge überquert hatten und in die Ebene hinabstiegen, in der das zerstörte Platää lag, sahen sie, daß er bereits angekommen war. Fünfzigtausend Perser, dazu die freiwilligen Thebaner und die zur Heerfolge gepreßten Phoker. Sie hatten das Schachbrett schon fein säuberlich aufgestellt.
Den Griechen schien die Aufstellung gar zu gut vorbereitet, und so zögerten sie lange, die Schlacht anzunehmen. Endlich wurde es Pausanias zu bunt. Er betete vor der Front des Heeres zu den Göttern und machte sich dann an die Lösung dieser, wie ihm als Spartaner schien, mathematischen Musteraufgabe.
Es ist unendlich schade, daß wir den genauen Verlauf dieser weltberühmten Schlacht nicht kennen. Was Herodot erzählt, ist wirr. Wir sind nur über die entscheidende Phase unterrichtet. Sie setzte ein, als im Laufe des Kampfes Pausanias den Befehl zu einer Flankenbewegung rückwärts gab. Der Befehl betraf den linken Flügel, die Athener unter Aristides. Aristides hat entweder das Manöver nicht begriffen, oder er glaubte, es besser zu wissen, jedenfalls machte er die Schwenkung nicht nur nicht mit, sondern drang weiter vor. Die Verbindung riß, eine Lücke klaffte in der Front, Mardonias mußte es bemerken — da setzte auch schon der Stoß der Perser auf die Lücke ein. Mardonias selbst führte ihn mit tausend Reitern.
Kein anderer als die Spartiaten hätte den Anprall ausgehalten. Wer einmal eine Koppel von Pferden in Karriere auf sich zustürmen sah, kennt den Eindruck. Nicht zehn, nicht hundert, ein Hurrikan von Pferden brauste heran. Die Spartaner stießen die Schilde in die Erde und bohrten die Lanzenschäfte tief in den Boden, stemmten sich dagegen und erwarteten so die Wellen der persischen Kavallerie. Die ersten Reihen wurden niedergewalzt, die Pferdeleiber brachen über ihnen zusammen und türmten sich hoch auf, Welle auf Welle stürmte heran, aber die Spartaner standen. Nach jedem neuen Aufprall rückten sie, Schulter an Schulter gelehnt und die Schilde fest zu einer Mauer schließend, um ein paar Schritte vor. Sie sahen nicht rechts und nicht links,
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