Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
Vom Netzwerk:
gewesen. In Sizilien lag eine Reihe blühender dorischer Kolonien. Die Zeiten hatten sich gewandelt; aus der einstigen »Hofseite« war eine neue Sonnenseite geworden und aus der rauhen Insel eine Dependance Spartas, schöner noch, eleganter, lebenslustiger; ein blumengeschmückter Balkon nach Westen.
    Xerxes hatte recht, wenn er kombinierte, daß der Verlust Siziliens die Griechen hart treffen würde. Aus diesem Grunde und in der Überzeugung, bereits darüber verfügen zu können, bot er das Schmuckkästchen den afrikanischen Karthagern an. Man schloß ein Bündnis und verabredete, Sizilien im gleichen Augenblick anzugreifen, wenn Xerxes in Griechenland stehen würde.
    Aber das karthagische Heer wurde von den vereinigten sizilianischen Städten am Himera geschlagen, so vernichtend geschlagen, daß der karthagische Feldherr nicht heimzukehren wagte, sondern sich das Leben nahm. Der Mann, der das griechische Heer geführt hatte, war Gelon, Tyrann von Syrakus. Der Sieg hob ihn nun in eine geradezu königliche Stellung. Er wurde eine Art Polykrates. Die Staatsform der Tyrannis hat sich in Sizilien noch weit über hundert Jahre gehalten. »Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Dämon, den Dolch im Gewände...« Mit diesem Dionys endete später die Kette der großen Alleinherrscher in Sizilien.
    Schön wäre es gewesen, schön wie ein Märchen, wenn alle Griechen jetzt die Hand aus der Himationfalte gezogen, sie einander hingestreckt hätten und Friedrich Schiller gefolgt wären, ein einig Volk von Brüdern zu sein. Über die Entfernung von zweieinhalbtausend Jahren hinweg möchte man die Griechen und ihre Poleis nehmen und, in besserem Wissen um ihr Glück, mit der Faust zusammenpressen — das ist eine berühmte »Nachfahren«-Empfindung; sogar Historiker können sie oft nicht unterdrücken. Kein Grieche aber wäre nach den Perserkriegen auf diesen Gedanken gekommen. Man legte den Krieg zu den Akten, und alle alten Eigenschaften feierten fröhliche Urständ.
    In Athen hatte man überhaupt keinen anderen Wunsch, als sich zunächst einmal auf dem Kerameikos über die Heldentaten gegenseitig auszusprechen, Mutmaßungen über den unsterblichen Ruhm anzustellen und die Sklaven zu ermuntern, sich mit dem Wiederaufbau der Häuser zwecks Feiern von Symposien möglichst zu beeilen.
    In diesen Tagen stand Themistokles Tag für Tag in Versammlungen und versuchte, die Athener aufzurütteln, ihre Pergola oder ihre niedergebrannte Färberei liegenzulassen und erst noch zu tun, was die Stunde gebot. Mit einer Ausdauer und Beharrlichkeit, einer Prägnanz und Schärfe, wie sie eigentlich ganz ungriechisch waren und dem Volk fürchterlich auf die Nerven gegangen sein müssen, wiederholte er beständig eine These: Athen muß sofort zur stärksten Festung Griechenlands ausgebaut werden, und zwar ehe es die anderen merken, sie werden es sonst verhindern; der jetzige Zustand ist ihnen gerade recht.
    Im Winter 479/78 hatte er tatsächlich im Rat der Fünfhundert den Beschluß erreicht, Athen mit einer Mauer »modernster Art« zu schützen.
    Das wurde kaum publik, da zeigte sich, daß er die Situation richtig gesehen hatte: Ein Sturm der Entrüstung ging durch Hellas. Ägina protestierte, Megara protestierte, Sparta protestierte — es sah aus, als hätten sie alle fürs nächste vorgehabt, Athen zu überfallen.
    Diese Reaktion hatten die Athener nicht erwartet. Jetzt begannen sie sich — alle, auch der letzte Färbermeister — zu versteifen. Themistokles erbot sich, nach Sparta zu gehen, um — wie man heute sagen würde — ein »gutes Gespräch zu führen«, das heißt, den Spartanern ihre Unverschämtheiten auszureden; aber er verlangte, daß die Athener inzwischen unbeirrt und im Eiltempo die Mauer erbauen sollten, einfach um eine vollendete Tatsache zu schaffen. Das tat man. Das tat man gern, denn nun war es ein Abenteuer. Man baute, während Themistokles mit den »Freunden« sprach, wie besessen; man verbaute, da man nicht genug Steine besorgen konnte, sogar Grabstelen in die Mauer. Sobald der Hauptteil fertig war — und das scheint in Windeseile geschehen zu sein —, ging man an die Befestigung des Piräus-Hafens. Themistokles schwebte vor, Athen und den Hafen durch eine ummauerte Straße zu einem Ganzen zu verbinden, ein gigantischer Plan. Als Themistokles heimkehrte und die fast fertigen Wälle sah, fiel ihm ein Stein vom Herzen, mit dessen Hilfe man die Mauer auf sechs Kilometer Länge ausdehnen konnte.
    Die Reise nach Sparta war

Weitere Kostenlose Bücher