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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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vergeblich gewesen, natürlich. Die Spartaner verlangten die sofortige Einstellung der Arbeiten. Ihrem Wunsche konnte nun willfahren werden, die Steine waren sowieso zu Ende.
    Kühne Menschen pflegen hier zu betonen, daß man auf Proteste pfeifen könne, jedoch irren kühne Menschen oft. Der Gang der Weltgeschichte wird mitunter durch die unscheinbarsten Dinge, zum Beispiel durch solch ein Pfeifen, bestimmt. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Historikern, die sagen, der endgültige Zerfall des hellenischen Volkes, der endgültige Bruch zwischen Athen und Sparta und der Keim zum späteren Peloponnesischen Kriege sei in jenem Winter 479/78 und in dem Plan des Themistokles zu suchen. Und sie fahren mit der Mahnung fort: verzichten und gute Gespräche führen! Ich aber, meine Freunde, sage Ihnen: Folgen Sie ihnen nicht! Im Rückwärtsblicken erscheinen die meisten Wege in der Weltgeschichte als zweigleisige Möglichkeiten, die es in Wahrheit niemals waren.
    Athen also pfiff. Und es merkte, daß es sich mit hundertfünfzig Kriegsschiffen und einer neuen Festungsanlage im Hintergrund nicht nur viel ruhiger pfeift, sondern auch viel ruhiger schläft. Athen trat in diesen siebziger Jahren in die oft zitierte und vielbesungene »Pentekontaetie« ein. Sie brauchen sich das Wort, obwohl es in keinem besseren Geschichtswerk fehlt, nicht zu merken; es läßt sich sehr einfach übersetzen mit »die fünfzig fetten Jahre«. Ehe wir aber in diese goldene Zeit eintreten und den unübertroffenen Perikles erleben, müssen noch einige Dinge erledigt werden, sowohl von den Athenern als von uns.
    Die ionischen Städte in Kleinasien waren sofort nach Salamis und Platää auf gestanden! Man hatte die persischen Statthalter vertrieben und fühlte nun den Wind eines zweiten ionischen Frühlings anheben.
    Andererseits war man nüchtern genug einzusehen, daß mit einer vorübergehenden Schwierigkeit des Großkönigs noch gar nichts für die Dauer gewonnen war. Aber man nahm das Risiko einer neuen furchtbaren Abrechnung tapfer auf sich und sagte sich offen von Xerxes los. Der verlorene Sohn, richtiger die verlorene Tochter, kehrte also zurück, breitete die Arme gläubig aus und sagte entwaffnend zu ihrem Mutterland: Hier bin ich, hier hast du mich!
    Bekenntnisse dieser Art pflegen eine überraschende Wirkung zu haben. So auch hier: Das Mutterland war in tödlicher Verlegenheit. Die Lage zwang Griechenland nun, den Freiheitsanspruch gegen Xerxes auch auf die kleinasiatische Küste auszudehnen. Das bedeutete, daß der Perserkrieg demnach noch nicht beendet war: Man konnte sich an den fünf Fingern ausrechnen, daß der Großkönig vielleicht das griechische Mutterland zu den Akten gelegt hatte, niemals aber in einem Atemzuge auch Ionien. Das sahen die Spartaner, und das sahen die Athener. Wie reagierten nun die beiden?
    Die Spartaner — ach, lassen Sie uns, um der Plastizität willen, ein anderes Wort sagen —, die spartanischen Peers schlugen vor, die ganze Küste zu evakuieren und die ionischen Griechen im Mutterland neu anzusiedeln! Natürlich müßten sie komplette, fertige Städte erhalten. Zu diesem Zweck, so meinten die Peers, könnte man doch sehr gut solchen Leuten wie den Thebanern und anderen Perserfreunden die Städte wegnehmen und sie für die tapferen Ionier »frei machen«.
    Ein Plan modernster Art! Jedoch kam es zu einer Umsiedlung solchen Stiles jetzt noch nicht, sondern erst 1945 nach Christus. Die Ionier waren nämlich dagegen, weil sie ihre Städte viel hübscher fanden. Das ist ein Gesichtspunkt; wenn auch ein überraschender. Aber dieser Wunsch wäre nicht ausschlaggebend gewesen, wenn nicht auch Athen den spartanischen Plan abgelehnt hätte. Und nun muß ich Ihnen ein Stück großer Politik der damaligen Welt erklären. Wenn Sie die ganze Kettenreaktion erleben, erinnern Sie sich bitte, daß sie durch nichts anderes ausgelöst wurde als durch einen Einfall, durch einen einzigen, dazu noch unverbindlichen kleinen Vorschlag Spartas.
    Der Einfall, die Ionier umzusiedeln, hatte den teuflischen Hintergedanken, ganz Mittelgriechenland zu einem Unruheherd zu machen. In den Peloponnes hätte Sparta natürlich keinen einzigen Ionier aufgenommen. Man spekulierte auf die Habgier Athens und seinen Haß gegen Theben. Fünfzig Jahre später wäre der Plan geglückt.
    Jetzt aber mißlang er. Der Mann, der ihn durchschaute, war Themistokles. (Die Spartaner haben von da an ein geheimes Kesseltreiben gegen ihn begonnen; man kann Schritt

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