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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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wie man — vermute ich — gehofft hatte; er ging nach Argos.
    Im nächsten Jahre wurde der Schlag gegen Pausanias geführt. Die Ephoren konnten »die notwendigen Indizien« vorlegen, um ihn als Landesverräter zu verurteilen. Leider zeigte sich der große Mann in diesem Augenblick nicht groß genug, die Konsequenz zu ziehen. Er flüchtete in das Heiligtum der Athene und stellte sich in den Schutz der Göttin. Die Spartaner umstellten den Tempel und ließen Pausanias, ihren Sieger von Platää, darin verhungern. Eine griechische Tragödie antiken Ausmaßes, aber — seltsam — nicht ohne die aristotelische Katharsis unserer Gefühle. Es ist ein Schauspiel, das »stimmt«.
    Wir müssen nun eilends nach Athen überblenden, denn die Ephoren handeln schnell.
    Sofort nach dem Tode von Pausanias verlangten sie von Athen einen Prozeß gegen den in Argos lebenden Themistokles und seine Verurteilung zum Tode wegen umstürz — lerischer Pläne gegen Sparta und Verhandlung mit den Persern.
    Athen kam diesem Wunsch in zuvorkommendster Weise nach. Kimon, damals auch als Staatsmann schon die maßgebliche Persönlichkeit, erinnerte daran, daß Sparta durch die Abberufung des Pausanias aus Byzanz und die Überlassung dieser handelswichtigen Stadt an den Seebund die Athener »zu großem Dank verpflichtet« habe.
    Hier rollt nun keine sophokleische Tragödie ab. Es kam nicht dazu; der Hauptdarsteller sprengte die Bühne. Es wurde ein Schmierenprozeß, der ausging, wie Sparta es verlangt hatte, öffentlicher Ankläger war ein Alkmaionide.
    Athenische und spartanische Militärpolizei begann die Jagd auf den Verfemten. Themistokles verließ Argos und ging nach Epirus. Dort trieb man ihn weiter nach Makedonien, von dort in abenteuerlicher Fahrt über das Meer nach Kleinasien, wo ihn die Aufforderung des Großkönigs erreichte, sich in Susa zu »melden«.
    Nicht Xerxes hatte die Botschaft gesandt; der alte Griechenhasser lebte nicht mehr. Artaxerxes, der neue Großkönig, empfing den Besieger seines Vaters in außerordentlicher Ehrfurcht. Er schenkte ihm, um ihn und seine Nachkommen sicherzustellen, drei große Städte zu erblichem Lehen. So verbrachte Themistokles die letzten fünf Jahre seines Lebens in Magnesia, von dessen Mauer er ein Stückchen Griechenland, Ephesos, Milet, die Bucht von Mykale und draußen auf dem Meer Samos liegen sehen konnte. Noch in unseren Tagen wurden Silbermünzen gefunden, die seinen Namen als Fürst von Magnesia tragen.
    Als eine zur Saga verwandelte Tragödie endete das Leben dieses großen Staatsmannes. Er war einer der größten, die die Griechen hervorgebracht haben. Er war es, er allein, der die Sicherung Athens und die Rettung Griechenlands in der radikalen Umrüstung auf Seemacht sah, der einzige, der die Verbrüderung mit Sparta für eine Illusion, für einen zu späten, endgültig zu späten Versuch hielt. Athen wußte nicht, daß es einen König, wahrhaft von Gottes Gnaden, in seinen Mauern beherbergt hatte.
    Die Griechen haben ihn nie gemocht. Er verbreitete weder den fürstlichen Glanz eines Kimon noch den milden Schein der Wunschlosigkeit eines Aristides, er besaß weder die aufregende Unverschämtheit der Alkmaioniden noch das verschmitzte Herz des Peisistratos. Die Athener empfanden ihn ganz einfach als Kränkung, etwa wie die Wiener einen Preußen als Kränkung empfinden. Er machte ihnen das Leichte schwer und das Schwere leicht; damit, so schien ihnen, stahl er ihnen das Lachen genauso wie die Tränen! Rührend, daß selbst der junge Stesilios, »an Gestalt, an Adel des Körpers und Geistes schönster aller Knaben« nicht ihn erhörte, der ihn glühend verehrte, sondern Aristides. Auch die alten Geschichtsschreiber mochten ihn nicht. Herodot kann sich nicht genugtun, den »Gerechten« zu rühmen. Der Name Themistokles fällt nur, wenn es nicht zu umgehen ist.
    Inzwischen sind zweieinhalbtausend Jahre vergangen, und noch immer scheiden sich an der Gestalt des Themistokles die Geister. In dem Geschichtswerk eines heutigen Historikers steht der Satz: »Damit, daß er persischer Vasall wurde, bewies er selbst, wie wenig vom Geist der Polis in ihm war, wie recht diese daran tat, ihn auszuschließen.« In solch einem Urteil bricht, wie bei den Athenern, nicht mangelndes Denkvermögen, sondern die Galle durch.
    Genauso hat Athen seinen Retter gehaßt. Es war ein ganz anderer Haß als der gegen irgendeinen früheren Regenten oder Feldherrn, es war ein Haß, der weder durch Bedrückung noch durch

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