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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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überrascht wurden. Die zusammenstürzenden Häuser begruben Frauen und Kinder unter sich, die Gymnasien brachen über den Kriegern und jungen Spar-tiaten zusammen. Sparta war in einer Stunde dezimiert.
    Man war kaum aus der Betäubung erwacht, da traf eine neue Schreckensnachricht ein. In Messenien war auf die Kunde von der Zerstörung Spartas hin ein Helotenaufstand ausgebrochen, der in Gedankenschnelle die Ausmaße eines großen Krieges anzunehmen drohte. Die Sklaven, von zwei Periökenstädten unterstützt, schlugen los. Die größte Garnison im Herzen Messeniens am Ithomeberg war bereits gefallen. Dreihundert Spartiaten zählten zu den Opfern.
    Aus der Trümmerstadt Sparta, in der nicht einmal mehr Tempel standen, um den Göttern opfern zu können, zog das letzte Aufgebot aus, wie zu Tyrtaios’ Zeiten eine verzweifelt um ihren »Kosmos« und ihr Leben kämpfende Schar.
    Der Sturz des siegreichen, nimbusumstrahlten Sparta zum tödlich verwundeten Sparta muß fürchterlich gewesen sein. Aber niemand beugte sich unter dem Schlag, alle bäumten sich auf; sobald Sparta die Waffen ergriff, war es seltsam mystifiziert. Vergessen war das Erdbeben, das Grollen des Zeus. Übrig blieb nichts als die rasende Wut auf den, der mit seinem »verpestenden Beispiel« der Volkserhebungen vor kurzem erst die Arkadier und nun die Heloten verführte: auf Athen. Griechen waren sie beide? Brüder? Pah! Während Kimon noch von Freundschaft geträumt und dafür Themistokles geopfert hatte, schlug bei den Spartanern wie ein Blitz die Erkenntnis ein, daß zersetzende geistige Feinde schlimmer sind als äußere.
    Zwischen Athen und Sparta klaffte ein Abgrund. In dem Ausmaß, wie Athen nun immer mehr aufweichen sollte, verhärtete Sparta — das janusköpfige Schicksal der Menschheit. Die Komplementärfarben des Abendrots.
    462, zwei Jahre später, war der Hauptteil des Landes Messenien wieder in spartanischer Hand — aber nicht die Messenier. Die Wehrfähigen, die Freiheitskämpfer, hatten sich auf den fast uneinnehmbaren Ithomeberg zurückgezogen. Das spartanische Korps schloß die Bergfeste ein und erschöpfte sich schier in unablässigen Versuchen, sie zu stürmen. Es mißlang.
    Die Spartaner, Künstler der beweglichen Schlachtführung, waren unerfahren in der Belagerung. Sie hatten sie stets umgangen, denn sie verachteten die berühmten »Generäle« Zeit, Kälte, Hunger. Sie hatten vom Krieg die ritterliche Vorstellung des Handelns.
    Sie sahen sich um, wer ihnen hier helfen könnte. Es gab in der Tat jemanden, der erst in der jüngsten Vergangenheit den Beweis seiner Tüchtigkeit im Aufbrechen einer Festung geliefert hatte: Kimon. Nach langem Zögern entschlossen sich die Ephoren, Athen zur Unterstützung herbeizurufen. Dem Namen nach gab es ja noch den alten hellenischen Bund aus der Zeit der Perserkriege.
    Kimon war, wie es sich gehörte, sofort Feuer und Flamme; das Volk weniger. Es war im Moment auf nichts neugierig, was nicht direkt die Wurst und den Wein betraf, sagte aber ja und amen und gab ihm viertausend Hopliten; kurzum, es hatte das Empfinden, einem hohen Herrn wieder einmal seinen Sport zu bezahlen.
    Der Mann, der diese Stimmung schürte und der uns nun ein Stückchen als unangenehmer Passagier begleiten wird, hieß Ephialtes. Ephialtes, der »Volks«-Mann, war, wie könnte es anders sein, vornehmer Abstammung. In ihm lernen Sie zum erstenmal einen Vertreter der neuen Herren des Volkes kennen — oder als Diener, ganz wie beliebt.
    Ephialtes — Sie müssen ihn sich als einen Neuling, aber als einen schon populären Abgeordneten, Spaziergänger und Leuteansprecher vorstellen — benutzte die Abwesenheit Kimons, beim Volk einen großen Schlag zu landen, einen Schlag, für den frühere Staatsmänner zehn Jahre gebraucht hätten: Er stürzte den Areopag, jene alte, ehrwürdige und höchste athenische Behörde, die über die Verfassung, über die Amtsführung der Regenten, über Finanzen, Gottesdienst und Justiz zu wachen hatte. Der Sturz ging keineswegs dramatisch vor sich. In einer Volksversammlung machte Ephialtes der Masse klar, daß die Zeit reif sei, die Dinge »selbst in die Hand zu nehmen«. Die Masse nickte, hob den Finger, und der Areopag konnte nach Hause gehen. Alle politischen Befugnisse gingen auf den Rat der Fünfhundert und auf die beliebten, spesenreichen Volksausschüsse über. Das geschah eins, zwei, drei, fast so schnell, wie man es erzählt; es schien eine kleine vergnügliche Neuerung zu sein und war

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