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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Griechen einen datengefüllten Lehrstoff zu machen? Wo ist die Sonne Homers, wo sind die Rosen für Apoll geblieben und wo der mit dem Bogen durch die Stadt gehende Gott, wo sind die Gebete im Liebestempel vor der Schlacht, die Jünglingsfeste, die Gärten, die Wiesel, die Hunde, die Kraniche, die Veilchenfelder, die Quellnymphen, die nackten Spiele, die Paiderastía, der Schlendrian, die Symposien, die Reden, der Purpur, die Hermen mit den bunten Phallen, die zum >Chaire< erhobenen Hände, die Trunkenheit vor der Schönheit? Wo?«
    Mit dieser Frage rühren Sie an das Geheimnis, warum man mit soviel Liebe von der Perikleischen Epoche spricht und deren Schöpfer so vergöttert: Es war die Zeit, wo das alles noch einmal elementar hervorbrach und deutlich wurde. Nie vorher und nie mehr nachher wurde das Schöne, das Glänzende, das Paradiesische so sichtbar. Der Mann, der dieses Licht, diese Feenbeleuchtung anzündete, war Perikles.
    Athen besaß zu seiner Zeit etwa hunderttausend Einwohner. In den letzten drei Generationen war es auf das Fünffache gewachsen. Aus Ionien waren sie hinzugeströmt, vom Lande hereingekommen, aus den zerstörten Dörfern in der Stadt untergeschlüpft und geblieben.
    Xerxes hatte eine Ruine hinterlassen, das darf man nicht vergessen. Vom alten Athen stand nichts mehr. Jetzt schoß das neue aus dem Boden.
    Im Augenblick war die Stadt weit davon entfernt, ein Schaubild erhabener Ruhe und makelloser Feierlichkeit zu sein, und wenn Winckelmann im Gedanken an das Perikleische Athen von »stiller Einfalt, edler Größe« spricht, so geht er einem Traumbild nach.
    Athen war mitten im Bau, schön aber unruhig, laut, staubig. Wo man hinschaute, wurde gebuddelt. Gerüste, Kräne, Hebel, Lastzüge standen auf allen Plätzen, ganze Wohnviertel blitzten funkelnagelneu in Marmor, an den Hauptstraßen »schossen« zweistöckige Häuser aus der Erde, die Akropolis war eine einzige große Baustelle. Die einst so klobige Burg war verschwunden, der Bergkegel sollte nun seine steinernen Wunder an Tempeln, Pforten, Treppen, Säulen und Statuen erhalten und zu einer funkelnden Bekrönung der Stadt werden. Der »Parthenon«, Juwel der Akropolis, und die »Propyläen« waren kaum vollendet, da zogen die Bautrupps, die Architekten, Steinmetzen, Maurer und Bildhauer schon weiter, um das »Erechtheion« im »modernen« ionischen Stil erstehen zu lassen. Jeden Morgen hatte die Akropolis ihre Silhouette verändert, es war ein Abenteuer zu erwachen.
    In der Stadt, am Fuße des Hügels, liefen die Arbeiten am Theseustempel an. Blickte man sich um, so sah man auf das »Odeion«, das große neue Musiktheater, das fast fertig war. Im Süden, bei Sunion, wuchs zur gleichen Zeit zwischen Felsblöcken, Marmorlagern und Bauhütten der Tempel für Poseidon über dem Meere in die Höhe.
    Die ganze Stadt summte in einem babylonischen Stimmengewirr. Neben Athenern und Sklaven standen Fremdarbeiter aus der halben Welt auf den Gerüsten, in den Werkstätten, an den Brennöfen und Schmelztiegeln und in den Schiffsdocks. Man hörte Attisch, Italisch, Thrakisch, Phönikisch, Ägyptisch; neben den athenischen Drachmen und Obolen gingen äginetische Münzen von Hand zu Hand, miletische Goldstücke und persische Dareiken. Man sah fremdartige Kleidungen, seltsame Haartrachten, komische Mützen und Hüte. Mitunter zogen Schwärme von Besuchern durch die Straßen, denen man ansah, daß sie nur ein oder zwei Tage in Athen blieben. Das waren Matrosen und Ruderer, wie man sie jetzt für drei Obolen Tagelohn auf den Inseln anheuerte. Ehe sie mit den Schiffen ausliefen, konnte man sie zu Hunderten durch die Stadt bummeln sehen. Alles redete, lachte, schimpfte, scherzte, blieb in Gruppen stehen, um zu gaffen, oder aß unter den Säulen der Wandelhallen Maronen und heiße Würstchen und suchte dann nach den Ecken, die man damals noch nicht mit oo bezeichnete. Die Stadtsklaven fuhren wie einst, nur um vieles zahlreicher, mit Besen und Karren durch die Gassen und kehrten den Müll fort. Vornehme thessalische Besucher, die auf ihren auffallend schönen Pferden durch die Straßen ritten, waren an ihren kleinen steifen Strohhütchen erkenntlich — und an ihrem unanständig kurzen Chiton, in dem sie im Sattel saßen. »Heutzutage« fiel das auf. Die athenischen Demokraten kleideten sich nicht mehr extravagant; man mied bunte Farben und bevorzugte weiß und grau. Purpur sah man im Alltag kaum noch. Aber auch die schlichte graue Wolle trug jedermann mit

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