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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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natürlicher Grazie, mit Eleganz und unnachahmlichem Faltenwurf. Auch der ärmste Mann schlug sich den Mantelfetzen wie ein spanischer Grande um die Schultern. Es ist mehr als einmal vorgekommen, daß die Volksversammlung einen Redner mit Gelächter mundtot machte, weil die Falten seines Himations häßlich fielen. Man wollte ihn weder sehen noch hören; konnte aus seinem Munde etwas Schönes kommen?
    Ich spüre, daß Sie mich hier gern verbessern würden. Sie möchten, daß ich gesagt hätte: aus seinem Munde etwas Wahres, Richtiges kommen. Denn, so werden Sie argumentieren, in einer Volksversammlung, die die Geschicke des Staates bestimmt, sollte Wahrheit wichtiger sein als Schönheit. Just das ist ein Irrtum. Die Griechen suchten Schönheit, nicht Wahrheit. Meinungen — ich sagte es schon einmal — waren und blieben für sie interessanter als Fakten. Daß am Horizont des Meeres die Silhouette eines Schiffs langsam heraufkam und damit die Wölbung der Erde bewies, sahen sie genauso wie wir; aber es war ihnen uninteressant. Daß jedoch Atlas die Erdscheibe auf seinen Schultern trug, wie er wohl aussah, wen er liebte und was passierte, wenn er die ganze Geschichte mal fallen ließ — das war spannend, das war diskutierenswert, das war herrlich zu besprechen. Mit solchen Dingen haben sie Stunden und ganze Tage vertrödelt. Vertrödelt? Das sagen wir so dahin. Sind Fakten oder sind Möglichkeiten von größerer elektrischer Spannung? Sind gelöste oder ungelöste Rätsel die Vitamine unserer Herzen?
    Im wahrsten Sinne des Wortes kannten die Griechen nur einen Hunger: den nach Schönheit. Man aß und trank immer noch so maßvoll wie einst, und die Liebe konnte sich schon sattsehen, wenn zur Nachmittagsstunde die Gymnasien und Palästren schlossen und die Paides, die Jünglinge, durch die Stadt schwärmten. Nach Schönheit aber waren sie unersättlich. Als die berühmte Hetäre Phryne, wegen Gottlosigkeit angeklagt, vor Gericht stand und die Waage sich schon zu ihren Ungunsten zu neigen begann, entschied ihr Verteidiger den Urteilsspruch der Richter sofort und in einer einzigen Sekunde, indem er auf Phryne zuging, die Schulterspangen ihres Kleides löste, so daß sie mit nacktem Oberkörper dastand, und fragte, ob ein solches Geschöpf der Götter gottlos sein könne. »Und die Richter ergriff heilige Scheu, so daß sie nicht wagten, die Verkünderin der Aphrodite zu verurteilen.« Rosen für die Göttin...
    Vielleicht kam die unbegreifliche Herzenskraft der Griechen aus diesen Quellen; ihre Triebe mögen zu jener Zeit schon in verhängnisvolle Bahnen gelenkt gewesen sein, ihr Instinkt war unbeirrt. Bedenken Sie, daß es der Milchmann, der Maurer, der Kontorschreiber, der Schmied waren (die gleichen, die um des Geldes willen die Städte ihrer Bundesgenossen schleiften, Griechen in die Sklaverei verkauften und sich einen Haß gegen alles Aristokratische einbildeten), die in der Volksversammlung die Entwürfe für die Bauten der Akropolis auswählten, die in den Volksausschüssen saßen und die Schauspiele für die Festaufführungen zensierten! In solchen Händen lag das Schicksal von Sophokles, von Euripides, von Aristophanes, von Polyklet und Praxiteles! Und es lag gut.
    Der Milchmann, der Maurer, der Schmiedegeselle — lassen Sie in Gedanken solche Menschen unserer Zeit einmal Revue passieren! Die Griechen griffen mit traumwandlerischer Sicherheit nach der Schönheit.
    Wer durch Athen ging, stolperte an jeder Ecke — sofern er nicht in eine Baugrube fiel — über ein Kunstwerk. Unaufhörlich gab Perikles Aufträge für Plastiken, Reliefs, Säulen, und die genialen Künstler sprossen wie auf Befehl aus der Erde: Myron, der noch der vorigen Generation angehörte, dann Pheidias, der mit Perikles eng befreundet war und ihn auch bei den Bauplänen beriet, dann Polyklet aus Argos, Iktinos, der Schöpfer des Parthenons, Apollodor, der »Licht und Schattenmaler«, und Polygnotos, der aus Thasos kam, um die neue Halle am Markt mit homerischen Themen auszumalen. Lauter große Herren, die Starhonorare kassierten und mit den anderen Großen der Welt verkehrten. Aus Theben zog Pindar nach Athen. Bakchylides kam, um die Stadt zu sehen, von der man sich Wunderdinge erzählte. Herodot, der Historiker, und die Philosophen Anaxagoras und Protagoras konnte man durch die Straßen spazieren sehen, und wenn sie alle am Kerameikos standen, um zuzuschauen, wie man die Athenestatue des Pheidias zur Akropolis rollte, dann standen mehr

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