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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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niemanden in Olympia, der ihn sich nicht angehört hatte, und die zu Hause ließen sich über ihn erzählen. Wo er auftauchte, wiesen sie mit dem Finger auf ihn und sagten: Das ist Herodot, der unsere Kämpfe mit den Persern verewigt hat.« Genauso werden sie auch auf Euripides gezeigt haben, auf seine imposante große Gestalt. Das ist er? Dieser Hüne? Ja, wissen Sie denn nicht, lieber Empedokles, daß er selbst Sportler gewesen ist, daß er bei den eleusischen Spielen im Ringen und bei den athenischen im Faustkampf gesiegt hat? Tout le monde war in Olympia, man sah und wollte gesehen werden, man knüpfte Verbindungen an, man schaute sich nach einem Schwiegersohn um, man legte Geld an, man kannte sich, wenn »man« zur Hautevolee gehörte.
    Die Zeit, als die Olympischen Spiele noch ein kleines Fest gewesen waren, lag weit zurück. Lange vor Solon mag es dort einmal so zugegangen sein, wie es die antikisch begeisterten Maler des vorigen Jahrhunderts für die Salons unserer Großeltern malten. Eine Schar edler und mit einer gänzlich ungriechischen Toga bekleideter Zuschauer palmwedelt den ebenso edel wie unpraktisch laufenden Jünglingen zu; die mangelnde Lauftechnik auf den Bildern rührt daher, daß die Hände immer ganz zufällig die Blößen verdecken müssen. Mit dem Fest von 776 begann die Zeitrechnung der Olympischen Spiele. Ihre Geschichte ist uns fast lückenlos erhalten. Im Anfang scheint es nur eine einzige Disziplin, den »Stadionlauf« über zweihundert Meter, gegeben zu haben. Wir kennen auch den Namen des ersten Siegers: Koroibos aus Elis. Bei dem 7. Olympia siegte erstmals ein Fremder, ein Messenier, und es ist für den Historiker interessant zu sehen, wie die Messenier zwanzig Jahre lang die Olympischen Spiele beherrschen und dann plötzlich von der Bildfläche verschwinden: Der Erste Messenische Krieg ist ausgebrochen, Sparta siegt, die Messenier werden für ein halbes Jahrtausend Sklaven! Hier verrät eine Sportmeldung Weltgeschichte und Völkertragik.
    Zur Zeit des Alkibiades gab es dreizehn Wettkämpfe:
    Stadionlauf (zirka 200 Meter; nach dem Sieger wurde die Olympiade benannt),
    Diaulos (zirka 400 Meter),
    Dolichos (zirka 5 000 Meter),
    Fünfkampf,
    Ringen,
    Faustkampf,
    Pankration (Catch),
    Stadionlauf der Knaben,
    Ringkampf der Knaben,
    Faustkampf der Knaben,
    Waffenlauf (früher in voller Ausrüstung, zu Alkibiades’ Zeit nur noch mit Helm und Schild über zirka 800 Meter),
    Wagenrennen,
    Pferderennen.
    Dazu kamen als Darbietungen mit Siegerehrung: Heroldsrufen, Trompetenblasen, Dichtkunst.
    Wer sich diese Liste ansieht, kann das bunte Bild für sich mit neuen Farben bereichern: Pferdestampfen, Stallungen, Waffenausgabe, Knaben mit Siegerbinde auf den Schultern stolzer Väter, Bandagenwickel, überall Männer mit plattgeschlagener Nase, Trompeter, Dichter mit Lorbeerkranz. Im Lorbeerkranz auch die neun mit diktatorischer und polizeilicher Gewalt ausgestatteten Kampfrichter, und dazwischen, gesenkten Hauptes, gemessenen Ganges, tief verhüllt, die einzigen Frauen, die in Olympia zu sehen waren: die Demeterpriesterinnen, wenn sie zu ihren Ehrensitzen schritten.
    Nach einem Festumzug verkündeten Posaunen den Anfang der Spiele. Die Wettkämpfe begannen in aller Frühe und dauerten bis zum Einbruch der Dunkelheit. Man kam mit den Ausscheidungen oft kaum nach. Zur Zeit des Alkibiades marschierten schon viele Hunderte von aktiven Teilnehmern auf. Sämtliche Wettkämpfer mit Ausnahme der Wagenlenker traten nackt an. Seit kurzem waren auch die Gymnastes, die Betreuer und Lehrer, dazu verpflichtet. Der Grund dafür (hübsch, aber unlogisch) soll folgende Begebenheit gewesen sein, die alle Historien erwähnen:
    Eine junge Witwe aus Rhodos begleitete ihren einzigen Sohn, der zu den Knabenwettspielen gemeldet war, nach Olympia und schlich sich, in kurzgeschnittenem Haar und mit dem männlichen Chiton bekleidet, als Sportlehrer ihres Jungen ein. Als der Knabe siegte, vergaß sie sich vor Freude, schrie auf und sprang in ihrem kurzen Chiton über die Barriere — das hätte sie nicht tun sollen, die Griechen hatten scharfe Augen.
    Auf der Übertretung des Verbots stand die Peitsche. Die Hellanodiken ließen die Unglücklich-Glückliche sofort festnehmen. Es war ein Höllenaufruhr.
    Die Richter aber begnadigten sie, als sie erfuhren, wer sie war: die Tochter des Diagoras, des berühmtesten Faustkämpfers der »Welt«, Schwester zweier Olympiasieger, Mutter eines Olympiasiegers, Tante eines Olympiasiegers;

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