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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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aufs Podium und feuerte eine Rede in das Volk, die tatsächlich zum Kriegsbeschluß führte. Die Ansprache muß ich Ihnen unbedingt, wenigstens zehn Zeilen lang, vorführen; es gab nichts Aufschlußreicheres für diesen charmanten Verbrecher:
    »Athener! Ich habe mehr Anspruch auf das Amt eines Feldherrn als jeder andere! Aber nicht nur das: Ich glaube auch, dessen würdig zu sein. Ich bin verschrien, verschrien um Dinge willen, die dem Vaterlande in Wahrheit nur Nutzen gebracht haben. Mir natürlich auch! Denn der Prunk, mit dem ich in Olympia aufgetreten bin, gerade der war es, der die Griechen gelehrt hat, die Größe Athens richtig einzuschätzen. Ich habe auch gesiegt! Mag sein, daß das alles im eigenen Kreise neidischen Ärger erregt; bei den Fremden — und das ist wichtig — erscheint es als Ausdruck der Kraft! Ich dünke mich mehr als andere, jawohl! Ist das Frevel? Will man mit mir teilen? Ja? Wird man, wenn ich im Unglück sein sollte, auch mit mir teilen? Spätere Geschlechter werden einmal mit mir prahlen! Fürchtet euch nicht vor meinem jugendlichen Sturm. Was nun das Unternehmen gegen Sizilien betrifft: Durch solche Taten sind wir zur Herrschaft gelangt!«
    Ja, zur Herrschaft wollten sie alle gelangen; und werden. 134 Trieren mit über 25 000 Mann wurden startfertig gemacht und die drei Strategen mit der gemeinsamen Führung beauftragt.
    Das Aufgebot war enorm, es schien erklärlich, daß drei Generäle mitgingen. Tatsächlich aber war der Grund ein anderer: Man mißtraute Alkibiades; man roch, daß er das ganze Abenteuer dazu mißbrauchen könnte, sich in Sizilien ein privates Königreich zu schaffen. Ein phantastischer Plan, eben deshalb bei ihm so naheliegend.
    Nikias und Lamachos waren gute Wadihunde, aber sicherer schien es den Besorgten, die ganze Expechtion zu vereiteln. Beachten Sie, zu welch modernen Mitteln diese Zeit bereits griff: Als die Athener am Morgen vor dem Auslaufen der Flotte erwachten, sahen sie, daß unbekannte Täter über Nacht den Hermen in der Stadt die Köpfe verstümmelt hatten! Ein Sturm der Entrüstung erhob sich; so weit reichte die Achtung vor den Göttern noch immer. Schwer wog auch die schlimme Vorbedeutung, die in dem Frevel lag. Er schien allen ein böses Omen für den Feldzug.
    Sofort begann ein fieberhaftes Suchen nach den Tätern oder dem Täter. Die Prytanen, der Regierungsausschuß, setzten eine hohe Belohnung für die Auffindung des Schuldigen aus und sicherten dem Anzeigenden Geheimhaltung seines Namens zu. Da tauchte auch schon das Gerücht auf, Alkibiades sei der Täter gewesen. Daß es in der Nacht ein Abschiedsgelage gegeben hatte, bei dem es nicht nur hoch hergegangen war, sondern auch niedrig, das stand fest. Auch sollte er halb trunken Gottesdienstriten karikiert haben.
    Der »junge Löwe« schäumte vor Wut. Er ging sofort vor Gericht und verlangte eine öffentliche Anklage gegen sich. Die Philologen haben bis vor kurzem diesen Schritt für einen Schachzug gehalten und an Alkibiades’ Schuld geglaubt. Man ist davon abgekommen. Das Ganze war ein Querschuß, und er saß.
    Der Rat der Fünfhundert sah sich in einer prekären Lage. Lehnte er den Antrag ab, so sprach er Alkibiades blanko frei; setzte er eine Verhandlung an, mußte die Expechtion ohne ihren Initiator und Kopf starten. Man fand einen Ausweg, der allen gleich unangenehm war: Der Feststellungsprozeß sollte sofort nach Beendigung des Feldzugs durchgeführt werden.
    Unter diesem bedrückenden Vorzeichen stach also die Flotte in See, mit der zwittrigen Schicksalsfigur an Bord. Das Geschwader war kaum vor Sizilien angekommen, da erschien ein Schnellsegler mit dem Befehl, Alkibiades nach Athen zurückzubringen — die Anklage war erhoben! Die »Querschießer« hatten die Tarnkappe fallen lassen; ans Licht trat Tessalos, der Sohn Kimons, Enkel des Miltiades!
    Welche Beweise er in der Hand hatte, erfuhr die Welt nie. Das Kurierschiff kehrte zwar zurück, aber ohne Alkibiades. Der »junge Löwe« war bei einer Zwischenlandung an der Küste des Peloponnes von Bord gesprungen und mit langen Beinen gen Sparta gelaufen.
    Das athenische Gericht verurteilte ihn als Landesverräter zum Tode und zog seinen gesamten Besitz ein. Binnen Minuten zerfetzte das Volk seinen bisherigen Heros.
    Athen hatte sich einen Schlangenkopf, aber immerhin den Kopf, abgeschlagen. Es hätte sich sofort noch die gierigen Hände abhacken müssen. Das aber tat es nicht, und die Quittung folgte auf dem Fuße. Das gesamte

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