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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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hinter jedem Verwandtschaftsgrad scheint das Wort Olympiasieger gestanden zu haben. Die Hellanochken sahen darin nichts Komisches, sie erstarrten in Ehrfurcht und geleiteten die Mutter des Siegers zu ihrem Platz zurück.
    Aber es sollte eine Ausnahme bleiben und blieb es. Angeblich aus einem tief verwurzelten Empfinden, das in den Spielen einen religiösen Ritus der Männer sah. Ich habe jedoch die Griechen in Verdacht, die Erfinder der »Herrenpartien« zu sein.
    Am turbulentesten ging es am letzten Tage zu, wenn die Pferde antraten! Im Mittelpunkt stand das Rennen der Vierergespanne. Sie wurden von Männern gelenkt, die zur Zeit des Alkibiades schon Berufsfahrer waren; zwar keine Berufs-Rennfahrer, aber so etwas wie Berufs-»Schofföre«, die auch zu Hause Frau Alkibiades zum Landgut kutschierten. Der Sieger erhielt die Stirnbinde; Olympiasieger aber war er nicht. Den Kranz bekam der Herr und Rennstallbesitzer. Einst war das anders gewesen.
    Alkibiades saß also, als der Tanz losging, unter den Zuschauern. Reservierte Plätze gab es nicht; wer zuerst kam, saß am besten. Ein Säckchen voll Drachmen wird eine bäuerliche Familiensippe bewogen haben, ihre Plätze dem bewunderten, strahlenden jungen Herrn und seiner glänzenden Begleitung abzutreten. Es kam, wie es bei sieben Gespannen aus einem Stall nicht anders kommen konnte: Alkibiades siegte! Berauscht vor Freude lud er sämtliche zehntausend Zuschauer zu einem Fest ein. Er selbst erschien im Schmuck der feierlichen Heroldsinsignien, die er sich vorsorglich von Athen ausgeliehen hatte. Und wie einst die großen sizilianischen Tyrannen sich die Hymne bei Pindar bestellt hatten, so beauftragte er nun den größten Dichter seiner Zeit: Euripides. Der Dichter, wie alle Dichter, erfüllte ihm gern diesen Liebesdienst, ganz einfach, weil das Manuskript schon fertig im Koffer lag. Pindar hatte, wie wir wissen, dreitausend Drachmen dafür bekommen. Euripides wird nicht billiger gewesen sein. Das waren zu seiner Zeit etwa dreißigtausend Mark. (Seit ich mir das errechnet habe, warte ich ungeduldig auf 1972.)
    Das Fest dauerte fast die ganze Nacht. Am nächsten Morgen, unausgeschlafen, begann der letzte Wettlauf: in die Heimat. Jeder wollte als erster erzählen können. Vielleicht hat Alkibiades getan, was schon einmal ein Olympiasieger aus Ägina vorgemacht hatte: eine Brieftaube mit der Siegesbotschaft heimzuschicken.
    Auf jeden Fall wird Alkibiades Olympia schnell verlassen haben, denn sofort nach Beendigung der Spiele erhob sich, leise wie ein Lüftchen, das Gerücht, das siegreiche Gespann habe gar nicht ihm, sondern einem anderen, einem »gefälligen« Manne gehört. Man hat es seinem Sohn später vor Gericht vorgeworfen.
    Zur Stunde aber war das Volk von Athen nichts als stolz und bereitete dem »jungen Löwen« einen jubelnden Empfang, entschlossen, dem Glückspilz auch weiter zu folgen. Peisistra-tos war einst mit zwei Mauleseln in die Macht gefahren; Alkibiades tat es mit einem geliehenen Viererzug.



... geht der Peloponnesische Krieg zu Ende; sogar Alkibiades kann das nicht verhindern, obwohl er sich Sachen leistet, die wie aus einem, alten Schauerroman anmuten. Der 2j jährige Krieg, und ich hoffe, daß ich ihn so unsympathisch wie möglich dar gestellt habe, hinterläßt Sieger und Besiegte am Rande des Ruins. Aber es wäre gelacht, wenn es keinen lachenden Dritten gäbe.

Der Zufall enthob Alkibiades der Mühe des Nachdenkens, was er den Athenern jetzt bieten könne. Im Frühjahr 415 — Alkibiades, Nikias und Lamachos waren wieder zu Strategen gewählt worden — , im April 415 kam ein Hilferuf aus Sizilien, wo die zwei, drei großen Städte gerade dabei waren, die kleineren zu schlucken. Nichts Lebensgefährliches, aber, wie immer in der Welt, Aufreizendes. Die großen Vögel waren dorische Siedlungen und hielten auch jetzt noch zu Sparta; die kleinen hatten sich aus Selbsterhaltungstrieb »logischerweise« Athen zu Füßen gelegt. Logisch ist das eigentlich nicht, dafür aber ein in der Geschichte immer wieder zu beobachtender Automatismus.
    Athen hatte sich lange Zeit nicht mehr um die Griechen Siziliens und Unteritaliens gekümmert, es hatte den Blick nach Ionien gewandt. Nikias gab sich alle Mühe, der Volksversammlung klarzumachen, daß man nicht auf hundert Hochzeiten tanzen könne; er wollte in dem Dilemma lieber die sizilianischen Freunde im Stich lassen, als den Frieden mit Sparta gefährden.
    Das war das Stichwort für Alkibiades! Er kletterte

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