Rosen für die Kaiserin
nämlich so weit zählen. Wohlweislich setzte sie keine Markierung. Jemand hätte schon alles umgraben müssen, um ihren Schatz zu finden.
Er fingerte einen weiteren Pfeil aus seinem Köcher hervor.
»Was hast du vor?«, fragte sie misstrauisch.
»Ich mache Jagd auf kleine Kröten.«
»Lass das!«
»Nur, wenn du mir endlich meinen Denar gibst.«
Hast du nicht selbst genug davon?, hätte sie ihn gern gefragt, aber sie biss sich auf die Lippen. Auf keinen Fall sollte er wissen, dass sie sein Geheimnis kannte. Und mit einem Mal kam ihr eine Idee, so großartig, dass sie sich hinterher fragte, warum sie ihr nicht früher schon gekommen war.
»Na schön«, sagte sie mit einem theatralischen Seufzer. »Du kriegst den Denar. Aber nur, wenn du mich dann in Ruhe lässt.«
»Abgemacht. Wo hast du ihn?«
»Nicht hier.«
»Komm, gehen wir ihn holen.«
Das war die Schwierigkeit. Sie musste den Denar ausgraben, ohne dass er etwas davon mitbekam. Sonst würde er auch noch die Spange an sich reißen.
»Du kriegst ihn morgen.«
»Kröte, wenn du mich veräppeln willst …«
»Tu ich nicht. Morgen kriegst du deinen Denar.«
»Falls nicht, schieße ich dir in den Hintern.«
»Ich weiß. Aber jetzt lass mich allein. Das ist die Abmachung.«
Brun schien darüber nachzudenken, ob es einen Haken an der Sache gab, fand aber wohl letztlich, dass er als der Ältere und Stärkere keine Heimtücke von ihr zu befürchten habe. Zumal er doch jederzeit die Möglichkeit hatte, sich bitterlich an ihr zu rächen.
»Na schön«, murmelte er und trollte sich, wenn auch widerwillig.
»Idiot!«, zischte sie ein weiteres Mal in seine Richtung, bevor sie damit fortfuhr, Steinchen in den Tümpel zu werfen. Wenn alles so klappte, wie sie sich das vorstellte, würde ihr Schatz bald anwachsen. Dann müsste sie nicht länger der albernen Vorstellung nachhängen, dass eine gute Wasserfee die Steine in Gold verwandelte.
Es war ein fast unerträgliches Gefühl für Jutta: Kaum eine Armlänge von ihr entfernt, hatte Brun auf Helmprechts Geheiß hin seine Schlafstätte bezogen. Heftig hatte Jutta dagegen protestiert, aber der Vater achtete nicht darauf. Mit seiner neuen Frau zog er sich seinerseits zur Nachtruhe zurück – auch wenn von Ruhe zunächst nicht die Rede sein konnte. Denn Jutta hörte genau, dass sie das trieben, was Erwachsene offenbar so gern miteinander anstellten.
»Du fühlst dich immer noch an wie früher«, hörte sie ihre vergnügte Stiefmutter flüstern.
Wenigstens war Brun rasch eingeschlafen, sodass er ihr nicht auf die Nerven fallen konnte – abgesehen von dem Gestank, der von seinen vor Schmutz starrenden Füßen ausging.
Auch die kleine Magda schlummerte tief und fest neben ihr auf dem Bärenfell. Jutta hatte geglaubt, dass sich mit dem Einzug der neuen Mutter vieles verändern würde, aber offenbar blieb die Verantwortung für die kleine Schwester nach wie vor an ihr hängen, zumindest hatte Ursel noch keinerlei Anstalten gemacht, sich um das Kind zu kümmern. Aber das mochte sich hoffentlich bald ändern.
Irgendwann hatten die Erwachsenen genug von ihrer seltsamen Beschäftigung. Ursel hörte auf zu kichern und Helmprecht ließ ein lautes Schnarchen hören. Jutta wartete noch eine Weile, bis sie sich völlig sicher war, dass niemand mehr wach lag. Dann stand sie auf und schlich auf Zehenspitzen aus der Kate. Das Licht eines halben Mondes reichte ihr völlig aus für das, was sie zu tun gedachte.
Nach wenigen Minuten war der Schatz geborgen. Die Spange vergrub sie abermals, den Denar aber nahm sie an sich, um ihn anderentags dem Stiefbruder geben zu können. Die Trennung von der Silbermünze, davon war sie überzeugt, würde nur von vorübergehender Dauer sein, deshalb hielt sich ihre Trauer über den Verlust in Grenzen. Als sie leise zu ihrer Schlafstatt zurückkehrte, fühlte sie sich so stark wie damals, als sie die böse Schlange besiegt hatte.
Am nächsten Morgen musste sie geweckt werden. Dies übernahm mit großer Freude Brun, der ihr unsanft in den Hintern trat. Jutta beschloss, ihren Ärger vorerst zu schlucken. Zum Glück fragte niemand, warum sie so schmutzige Hände hatte.
Nach dem Hochzeitsfest hielt wieder der Alltag Einzug auf dem Hof. Nun waren sie zu viert – die kleine Magda nicht mitgerechnet, die ja zur Arbeit noch nicht taugte –, aber Jutta hätte auf den Zuwachs liebend gern verzichtet. In einem Augenblick, wo die Erwachsenen es nicht bemerkten, übergab sie dem Stiefbruder den so lange
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