Rosen für die Kaiserin
Theophanu verbittert. So viele Edle, die Blüte des Reiches – binnen weniger Stunden ausgelöscht.
»Der Bote sprach von Trossknechten, die beschwören, dass sie den Kaiser, als Waffenknecht gekleidet, das Schlachtfeld verlassen sahen, begleitet von zwei Männern seiner Leibgarde.«
»Er floh in der Tarnung eines Knechtes«, sprach Theophanu mit tonloser Stimme zu sich selbst.
»Er ist der Kaiser«, erwiderte Dietrich, als sei damit alles gesagt. Ein Kaiser musste am Leben bleiben – um des Reiches willen. »Ich habe für ihn gebetet, auf dass er wohlbehalten zurückkehren möge.«
»Hätte er nicht längst eintreffen müssen, wäre er unversehrt?«
»Ich habe Männer ausgeschickt, die nach ihm suchen, meine Kaiserin.«
Theophanu biss sich gedankenvoll auf die Unterlippe. Ihre Beine waren wie Blei. »Auch ich will in die Kapelle gehen, um für meinen Gemahl zu beten«, sagte sie endlich und dachte dabei an Adelheid. »Künftig werdet Ihr mich unverzüglich rufen lassen, sobald ein Bote eintrifft. Habt Ihr verstanden, Dietrich?«
Der Bischof errötete leicht. »Das will ich tun. Vergebt mir.«
»Gut. Dann lasst Eure Heiligen nicht länger warten, Dietrich.« Mit dem Kinn deutete Theophanu auf das Pult, wo sein Pergament lag. Dabei lächelte sie gnädig. »Erinnert mich bei Gelegenheit daran, Euch eine Reliquie des heiligen Nikolaus zukommen zu lassen.«
»Ihr würdet mir damit die größte Freude machen.«
»Freuden erwarten uns erst im Himmelreich«, entgegnete Theophanu kehrtmachend. Erschrocken über sich selbst, verließ sie den Raum. Hätten diese Worte nicht ebenso gut von ihrer frömmlerischen Schwiegermutter stammen können? Die Ungewissheit über das Schicksal Ottos und des Reiches lastete schwer auf ihrem Gemüt. Selten hatte sie sich so machtlos gefühlt.
*
Von Zeit zu Zeit, wenn die Umstände es erlaubten, suchte Jutta ihr Versteck auf, um nach dem Rechten zu sehen. Sorgfältig hatte sie den Platz ausgesucht, an dem sie seit einiger Zeit ihren Schatz hütete. Es war so gut wie ausgeschlossen, dass irgendwer ihn dort jemals fand.
An einem Erntetag im Juli, als der Vater sie vom Feld nach Hause schickte, um den Wasserschlauch zu füllen, war wieder einmal eine günstige Gelegenheit. Niemand würde merken, wenn sie einen kleinen Abstecher durch den Wald machte. Brun, der unter Helmprechts Obhut arbeitete, würde ihr nicht nachstellen. Sogar Wiljo folgte ihr nicht; träge lag der Hund am Feldrand im Schatten eines Baumes, denn es war brütend heiß. Allzu viel Zeit würde Jutta sich aber nicht lassen können. Der Durst machte den Vater mürrisch.
»Beeil dich!«, rief er ihr hinterher.
Im Wald war es erfrischend kühl. Am liebsten hätte Jutta den ganzen Tag dort verbracht. Aber sie sah ein, dass sie nicht bummeln durfte, um den Vater nicht zu verärgern. Das Versteck war nicht weit vom »Teufelsbuckel« entfernt. Als Jutta den alten Eichbaum erreichte, der ihren Reichtum barg, schaute sie sicherheitshalber noch einmal in alle Richtungen; dann begann sie leichtfüßig, den Stamm der Eiche emporzuklettern. Kein Junge, erst recht nicht Brun, machte ihr da etwas vor.
Mindestens tausend Jahre war der knorrige Baum wohl alt. Einen kostbaren Schatz hatte er wahrscheinlich noch nie in seinem Innern beherbergt. Manche Äste wirkten morsch und knirschten bedrohlich unter Juttas Hangelei, doch sie war geschickt genug, um immer wieder Halt zu finden, bis sie das Baumloch inmitten der Krone erreichte. Es befand sich etwa zwanzig Fuß über Bodenhöhe und war von unten nicht zu erkennen. Jutta war froh, dieses Versteck gefunden zu haben. Nicht in den Bäumen, sondern in der Erde suchten die Menschen gemeinhin nach Schätzen.
Ein Griff in das Loch – Jutta grinste. Wie erwartet, lag alles noch an Ort und Stelle: das Stück vom Bärenfell, darunter das Leinentuch, in dem der Lederbeutel mit den Münzen und die Spange sorgsam eingewickelt waren. Auf die Idee mit dem Bärenfell war sie besonders stolz. Lupus, der Wolfsjäger, hatte einmal behauptet, der Geruch eines Bärenfelles halte jegliches Getier auf Distanz. So konnte Jutta sicher sein, dass weder Elstern noch Eichhörnchen noch andere diebische Plagegeister sich ihrer Kostbarkeiten bemächtigten. Helmprecht und Ursel war bis heute nicht aufgefallen, dass dem Bärenfell eine Ecke fehlte.
Alles in bester Ordnung! Zufrieden machte Jutta sich an den Abstieg. Ohne weitere Verzögerung rannte sie zum Hof, wo sie Wasser aus dem Brunnen holte. Ihre
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