Rosen für die Kaiserin
vermochte ihr diese Sorge keineswegs zu nehmen: Was würde aus seinem Thronanspruch, wenn der Vater nicht mehr am Leben war? Gegen die ganze Welt würden sie sich behaupten müssen, eine gigantische Aufgabe. Mehr als einmal verwünschte Theophanu den heiligen Eifer ihres Gemahls.
»Es wird Eurem Knaben nicht ergehen wie meinem Sohn, dem der Herrgott schon früh den Vater nahm«, fuhr Eunice fort. »Gott ist es mir schuldig, dass er den Kaiser am Leben lässt.«
Mit gerunzelter Stirn sah Theophanu sie an. »Hör auf, mit Gott zu handeln, um das Schicksal von Menschen zu beeinflussen. Was ist mit deinem eigenen Fleisch und Blut?«
»Ich diene Euch mit Haut und Haaren.«
»Nur: Behalte deine Seele, Eunice.«
»Selbst die sei Euer.«
»Genug!«
Theophanu mochte nichts mehr davon hören. Doch erst ein Klopfen an der Tür ließ Eunice endgültig verstummen. Ein Diener des Bischofs trat ins Gemach und verbeugte sich tief vor der Kaiserin. »Herrin, der Bischof …«
»Leise!«, zischte Eunice ihn an und deutete auf das schlafende Kind.
Der Diener senkte die Stimme. »Der Bischof hat durch einen Boten Nachrichten aus dem Süden erhalten und möchte Euch seine Aufwartung machen.«
Mit einem Mal war Theophanu sehr aufgeregt, ließ sich jedoch nichts anmerken. Warum schickte man den Boten zum Bischof anstatt zu ihr? Ob Otto etwa … Nein, es mochte ein Dutzend andere Gründe dafür geben, dass ihr Beschützer, Bischof Dietrich von Metz, als Erster über die militärischen Ereignisse informiert wurde. Künftig aber würde sie darauf bestehen, dass man Boten unverzüglich zu ihr führte.
»Sag deinem Herrn, dass er sich nicht bemühen muss. Ich werde ihn selbst aufsuchen.«
Theophanu war froh über jede Gelegenheit, ihre Gemächer verlassen zu können. Außerdem konnte sie auf diese Weise sicher sein, dass Eunice nicht lauschte. Manchmal war der Übereifer der Dienerin erdrückend.
»Sei so gut und bleib bei dem Knaben, während ich den Bischof aufsuche, Eunice.«
Die Dienerin nickte. »Denkt daran, Herrin: Alles wird gut werden. Der Herrgott schuldet es Euch und auch mir.«
»Wie dumm du manchmal sein kannst.«
Ohne Eunices beleidigte Miene zur Kenntnis zu nehmen, machte sie sich mit klopfendem Herzen auf den Weg.
Dietrich von Metz saß über ein Pergament gebeugt, als man Theophanu zu ihm führte. Jeder wusste, dass der Bischof ein großer Reliquiensammler war, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, für jeden Heiligen, der in seiner Sammlung vertreten war, eine Vita anzufertigen. Vermutlich arbeitete er gerade an einer solchen, aber als er die Kaiserin erblickte, schob er Pergament und Federkiel beiseite, erhob sich und widmete ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
»Wie ich erfuhr, habt Ihr Neuigkeiten erhalten«, begann sie ohne Umschweife.
Der Diener, der die Kaiserin begleitet hatte, entfernte sich.
»Bitte, setzt Euch, meine Kaiserin.« Dietrich deutete auf einen mit rotem Polster bezogenen Sessel.
»Ich ziehe es vor, zu stehen. Was ist geschehen, Dietrich? Der Kaiser – lebt er?«
»Wir wissen es nicht«, antwortete der Bischof rasch, denn es war offensichtlich, dass die Kaiserin sich nicht auf die Folter spannen lassen wollte. Da sie sich nicht setzen wollte, blieb auch er stehen. »Ein Bote war es, der mir vorhin Kunde von einer großen Schlacht brachte.«
»Und diese Schlacht wurde verloren!«
Dietrich nickte ernst und stieß ein leises Seufzen aus. »Obgleich die Zeichen ganz auf Sieg standen. Euer Gemahl stellte die Sarazenen beim Kap Colonne zum Kampf und schlug sie zunächst vernichtend. Auch der Emir fand den Tod. Euer Gemahl ist ein großer Kriegsheld, meine Kaiserin.«
»Offenbar nicht groß genug, denn letztlich wurde die Schlacht ja verloren, wie Ihr sagtet.«
Ihr Zynismus schien den Bischof zu irritieren, denn für einen Augenblick schwieg er. »Die Unsrigen setzten ihren Vormarsch fort«, fuhr er dann fort, »wurden aber von den Reserven des Emirs, die in den Bergen lauerten, hinterrücks überfallen.«
»Bedeutet das etwa, dass man den Vormarsch ohne weitere Flankensicherung unternahm?«
Abermals wirkte Dietrich verwirrt durch ihren Scharfsinn. »Es ist der Erfolg, der die Menschen zum Leichtsinn verleiten kann.«
Theophanu verspürte Sorge, Wut und Ohnmacht zugleich, blieb äußerlich aber unbewegt. »Das Heer wurde also vernichtet?«
Der Bischof senkte den Kopf. »Ja, meine Kaiserin, zum größten Teil.«
»Was für eine Verschwendung von Menschenleben«, murmelte
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