Rosen lieben Sonne
darüber nach, welch verborgene Verbindung es zwischen Lews unglaublicher Sucht nach Liebe und seinem Beruf geben konnte, aber was verstehe ich schon von so etwas, und außerdem: Ich stille meine Gelüste und ihr gefälligst eure eigenen.
Was war das nur für ein Tag, fragte ich mich, als ich schließlich ganz allein in meinem Bett landete. Ein Tag wie viele andere, lauter Einzelteile, Bruchstücke einer größeren Handlung, in der ich nur ein kleiner, armseliger Mitspieler war, ein Komparse am Rande der Menschenmenge, der sich fast den Hals ausrenkte, um zu sehen, was alle anderen sahen.
Ich wollte schon immer etwas über diese Einzelteile schreiben und versuchen darzulegen — auf eine nette und vielleicht sogar lustige Art und Weise —, daß mein Leben als kleiner Teilzeitschnüffler wenig mit den fieberhaften Auftritten dieser TV-Trottel zu tun hat. Die arbeiten normalerweise zu zweit und lösen in einer Stunde abzüglich Werbung, Vorspann und Nachspann einen schwierigen Fall, retten Columbia ein für allemal vor Drogendealern, fahren ein halbes Dutzend Autos zu Schrott (je neuer, desto besser), verlieben sich, besuchen ihren Partner im Krankenhaus, wo er leider niemals die Löffel abgibt, bringen einen klauenden Jugendlichen wieder auf den rechten Weg — und natürlich alles trotz der ernsten Drohung ihrer Gegner, die Finger von dem Fall zu lassen, sonst!
Aber sollte ich mich mit einer Kurzgeschichte oder einem dünnen Essay zufriedengeben?
Warum nicht einen Roman schreiben und irgendeinen Trottel daraus ein Drehbuch zusammenstoppeln lassen; dann würde Lew »Heureka!« rufen statt »Schrott!« und mir die Rechte daran abkaufen, und ich würde mir Jack Bennys alten Schuppen leisten und abends mit meiner Violine auf der Terrasse stehen und murmeln: »Stradivari? Ich möchte doch hoffen, daß es eine Stradivari ist, ich hab neunundvierzig fünfundneunzig dafür bezahlt.«
Das wär’s, Leute — dann schlief ich ein.
5
Meine erste schwierige, schmerzhafte und zeitaufwendige Aufgabe am Mittwochmorgen bestand darin, wieder zu mir zu kommen. Die zweite war, dafür zu sorgen, daß sich jemand anderes genauso mies wie ich fühlte. Also ärgerte ich wieder einmal William J. Summers. Ich weiß, es ist verboten, andere Leute zu ärgern, aber wenn er mir das jemals vorwerfen sollte, würde ich einfach sagen: Verklag mich doch, und das würde ihn schon wieder ärgern.
Ich hatte vor, ihm von seinem Haus an der San Clemente in Sherman Oaks zu seinem Büro in Century City zu folgen. Ich wußte ungefähr, wann er zu Hause losfuhr, weil ich klug genug gewesen war, Sylvia danach zu fragen. Gut möglich, daß er heute morgen genauso verkatert war wie ich; ich mußte nämlich geschlagene zehn Minuten an seiner Stoßstange kleben, bevor er mich überhaupt bemerkte.
Als er anflng, sinnlos abzubiegen, um mich abzuhängen, und ich sicher war, daß er alles mitgekriegt hatte, verschwand ich plötzlich in einer Seitenstraße, drückte ein bißchen auf die Tube und nahm ein paar Abkürzungen, so daß ich vor ihm in der Century City West 100 war. Als er ankam, stand ich deutlich sichtbar ein paar hundert Meter weiter auf der anderen Straßenseite.
Nachdem er sich in seinem Palast aus Aluminium und schwarzem Glas verkrochen hatte, fuhr ich zu meinem Büro aus Stuck und Beton, schloß auf, suchte mir ein paar Visitenkarten fremder Menschen aus meiner umfangreichen Sammlung heraus und fuhr wieder nach Sherman Oaks.
Ich fing mit Mr. Summers’ direktem Nachbarn an; er hatte ein Eckhaus, deshalb gab es nur einen. Obwohl die beiden Häuser nah beieinander standen, lagen sie architektonisch Jahrhunderte auseinander, ganz wie es in dieser Gegend üblich — wenn nicht sogar vorgeschrieben — ist. Ich habe keine Ahnung, wozu man Pseudo-Tudor, französische Ferienhäuschen, spanische Villen, moderne Kubisten, Rhode-Island-Naturkost und Märchenschlösser in einer Reihe baut; vielleicht liegt’s am Klima. Mr. Summers wohnte in einem kubistischen Kunstwerk. Ich klopfte beim Pseudo-Tudor — komplett mit Bleiglasfenstern, einem viel zu großen Türklopfer in Form eines Löwenkopfes und einem Vordach mit Schindeln. Mein lieber Scholli.
Nach einer Minute erschien ein Gesicht hinter dem Glas, dann öffnete sich die Tür, soweit es die Sicherheitskette erlaubte. Ich konnte einen Teil eines Frauengesichts sehen. Das war auch genug. Sie sah mich an. Irgend etwas mußte sie beruhigt haben, vielleicht der konservative Anzug, der Schlips oder
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