Rosen lieben Sonne
zur Anhörung einer Vaterschaftsklage in den Gerichtsräumen im alten Sheriffs Department. Als Kläger trug ich ein: Name, Adresse und Telefonnummer von Miss Sara Silvetti. Anschließend suchte ich aus dem Telefonbuch eine Anwaltskanzlei heraus, die möglichst beeindruckend hieß, und trug deren Adresse als Rechtsbeistand ein. Dann mußte ich das Ding nur noch in einen Umschlag stopfen, an William J. Summers adressieren, frankieren — und Sara anrufen.
Sara war zu Hause. Sara war zwanzig und rüstig wie achtzig. Sara war der totale Punk. Kein billiger, feuerwerkbunter Punk-Verschnitt, sondern richtig Punk: bei Tag leuchtende Haare, zerrissene T-Shirts, Sicherheitsnadeln im Ohr, Handschuhe ohne Finger, zerfetzte Hosen. Außerdem war sie eine Möchtegern-Dichterin, und das schlimmste daran, wenn ich sie um Hilfe bat, was ich hin und wieder nicht umgehen konnte, war — abgesehen von ihrer Söldnernatur und ihrer Respektlosigkeit den Alten und Besseren gegenüber — , daß sie darauf bestand, ihre Berichte in Gedichtform abzuliefern.
»Yeah?« rief sie mir laut ins Ohr.
»Ist das deine Art, dich am Telefon zu melden?« fragte ich. »Wie wäre es mit >Silvetti Residence, Miss Sara Silvetti am Apparat«
»Alles klar, Paps«, sagte sie. »Was is’, ich arbeite.«
»Terz«, sagte ich. »Das reimt sich auf Schmerz. Hilft dir das weiter?«
»Dir hilft nichts, außer einer Hirnamputation«, sagte sie. »Und auch das ist fraglich.«
»Also, Kindchen«, sagte ich. »Wenn dich ein William Summers, mittleres Initial: J., anruft, was höchst wahrscheinlich ist, tu dir und mir einen Gefallen und sag nichts als: >Ich habe nichts zu sagen. Meine Anwälte sind Batesby, Batesby, Clark und Burroughs.< Alles klar?«
»Ich habe nichts zu sagen«, entgegnete sie. »Meine Anwälte sind Batesby, Batesby, wer und Burroughs?«
»Clark«, sagte ich. »Clark und Burroughs.«
»Okay, Paps«, sagte sie. »Aber das kostet was.«
»Der Scheck ist in der Post«, sagte ich und legte schnell auf. In diesem Moment klingelte das Telefon, zu schnell, als daß es Sara sein konnte. Es war Wade.
»Ach, du sprichst wieder?« sagte ich. »Was haben sie gemacht? Dich ausgehungert? Hat Suze gedroht, zu ihrer Mutter zu ziehen?«
»Schlimmer«, jammerte Wade. »Sie hat gedroht, daß ihre Mutter zu uns zieht. Ich ergebe mich. Komm vorbei, wann immer du willst, ich bin da.«
»Ich bin in einer Stunde da«, sagte ich. »Sag Suze, daß ich sie liebe.«
»Wenigstens einer«, sagte Wade.
Ich räumte auf, schaltete die Klimaanlage aus, schloß ab, warf die Vorladung für Mr. Summers in den Briefkasten an der Ecke und fuhr auf dem Weg zu Wade bei Moe’s vorbei — drei Hot Dogs, keine Zwiebeln, ein Root-Bier, ein Stück Zitronenkuchen von gestern. Wade lag mit mindestens zwei Katzen in der Hängematte, die hinter der Garage hing; er raffte sich zu einem vagen Winken in meine Richtung auf, als ich ankam.
Ich parkte, stieg aus, reckte mich, lehnte mich gegen den Kotflügel und sagte: »Okay, Wade, erzähl’s mir.«
Er dachte ausgiebig darüber nach und fragte: »Was soll ich erzählen? Geht es hier um den Täter oder das Opfer?«
»Es geht um deinen Arsch«, sagte ich. »Komm schon, du sturer Bock. Schuldig ist schuldig, aber das kann man ändern. Cissy ist sauer, Willy ist sauer, Suze ist sauer, und ich bin gleich auch sauer.«
»In Ordnung«, sagte er. »Runter da.« Als die Katzen sich nicht rührten, kippte er sie auf den Boden, schwang sich auf die Füße, schleppte sich zur Garagentür, suchte nach den Schlüsseln und sperrte das neue Schloß auf. »Das Ding ist sicher«, sagte er und drehte den Schlüssel zweimal herum, während sich der Bolzen aus dem Rahmen in die Türe schob.
»Was war vorher da?«
»Eine Kette«, sagte er. »Mit einem Schloß, wie man es für Fahrräder benutzt. Ich hab’s drinnen, wenn du’s sehen willst.«
»Wann genau ist es passiert?«
Er erzählte mir, daß es am Samstag, dem 14., passiert war, einen Tag bevor Evonne und ich zurückgekommen waren. Wir gingen in die Garage, und er schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Wade hatte viel Geld in diese Garage gesteckt. Das meiste war für einen neuen, vollautomatischen Farbentwickler draufgegangen, aber er hatte auch noch ne Menge anderer Sachen: ein Bord für die Abzüge, eine Menge Ablagen, einen stählernen Entwicklertank, weiße Emailleschalen zum Wässern, Entwicklerflüssigkeit, Fotopapier. Und da Wade natürlich auch selbst fotografierte, hatte er ein ganzes
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