Rosen lieben Sonne
er. Er schubste den Hund aus der Hängematte und kletterte hinterher. »Die ganze Sache hat mich ziemlich durcheinandergebracht. Warte, ich hol die Rechnungen. Und obwohl es nicht so aussieht, bin ich dir sehr dankbar für das, was du tust. Wir alle sind dir dankbar.«
»Okay, okay, ist schon gut«, sagte ich.
Er ging ins Haus und kehrte mit einem blechernen Brotkasten zurück, den er im Gras neben der Hängematte abstellte. Wir hockten uns daneben, nahmen uns jeder einen Stapel Papier und fingen an, sie nach Anfangsbuchstaben der Auftraggeber zu sortieren. Wir kümmerten uns nur um die letzten Monate. Nach zehn Minuten hatten wir einen kleinen Haufen beisammen, zwei Dutzend insgesamt.
»Du hast gut zu tun«, bemerkte ich.
»Könnte schlimmer sein«, sagte er.
Die Hälfte der vierundzwanzig Aufträge stammte von einer Fotofirma, die ihre Kleinaufträge an freie Subunternehmer wie Wade weitergab. Er sagte, soweit er sich erinnerte, waren es Architektur- und Industriebilder. Sechs weitere Aufträge stammten von D. M. Co., alias dem Porno-König der Davenport 4420, seit Juni etwa alle zwei Wochen einer. Zwei waren von einem Typen, den Wade kannte und der Hochzeiten fotografierte, Bar Mizwas und Babys. Ein Lieferschein war von einem Jungen aus der Gegend, den Wade gut kannte. Er wollte Berufsfotograf werden und kam immer wieder mal vorbei und nervte Wade mit irgendwelchen Fragen. Er hatte zwölf Rollen Fuji entwickeln und abziehen lassen.
Blieben drei Lieferscheine. Sie waren alle für die Entwicklung von Urlaubsfilmen, zumindest sah es so aus. Ich ging zum Auto, holte mir meinen Block und einen Stift und schrieb mir die Namen und Adressen der Privatkunden auf. Und die von dem Jungen. Keiner der Namen kam mir bekannt vor oder ließ es bei mir klingeln. Dann entschied ich mich — wenn schon, denn schon —, die Sache ordentlich anzugehen, also nahm ich mir den ganzen Stapel, fuhr drei Blocks bis zum nächsten Postamt, kopierte die Aufträge und brachte Wade die Originale zurück.
Diesmal lag er nicht in der Hängematte, sondern arbeitete tatsächlich einmal für sein Geld; das rote Licht über der Garagentür zeigte an, daß er gerade in der Dunkelkammer herumfuhrwerkte. Also winkte ich Cissy, die mich lautstark zu einem Stück Zwiebelkuchen einlud. Leider hatte ich keine Zeit mehr und machte den Abgang. Ich legte auf dem Weg zurück ins Büro einen Zwischenstopp bei Moe’s ein, um etwas Vernünftiges zu essen — zwei Hot Dogs, nur mit Senf und Remoulade, und ein Orangeneis.
In meinem Büro breitete ich die zwei Dutzend Rechnungen vor mir aus und begutachtete sie erneut. Ich hatte mich gerade eingefuchst, als Sara hereinplatzte. Heute hatte sie sich eine knallbunte, riesengroße Papierblume ins grüne Haar gesteckt. Interessanterweise hatte ihr Haar genau dieselbe Farbe wie Evonnes Leguanlampe, bloß stand sie der Echse besser. Sara trug ein gelbes, fünf Nummern zu großes T-Shirt, auf dem stand: »Fat Jack. Der beste Fleischer der Stadt. Wenn’s dir nicht schmeckt, bist du Dreck.« Nett. Wenn sie meine Tochter wäre, würde ich ausziehen.
»Willst du was essen, Fetti?« fragte sie und kniff mich in die Wange.
»Hab ich grade«, sagte ich. »Mach die Tür hinter dir zu.«
»Komm schon«, sagte sie, »ich zahl auch, wenn’s das ist, was dir Sorgen macht, und das ist es bestimmt.«
»Geh weg«, sagte ich. »Weit weg. Mußt du nicht zu irgendeiner Drogenorgie oder so? Nimmt die Fremdenlegion heutzutage auch Mädchen? Siehst du nicht, daß ich zu tun habe?«
»Was hast du denn zu tun?« fragte sie und spähte über meine Schulter. Sie duftete gut; vermutlich hatte sie sich Parfüm von ihrer Mutter geborgt. Normalerweise roch Sara wie eine Überlebende der Flower-Power-Generation: nach Patschuli oder Moschus oder alten Turnschuhen.
»Diese Papiere führen vermutlich zu einem Einbrecher. Zu einem Frevler, einem Delinquenten, kurz: zu einem Kriminellen. >Bereichern Sie Ihren Wortschatz< hat irgend jemand mal gesagt. Ich glaube, es war Jimmy Durante.«
»Wer ist denn das?« fragte die Klugscheißerin. »Und wo ist der Einbrecher, den du suchst, eingebrochen?«
»Die Straftat fand statt bei Wade«, sagte ich. »Bei Wade habe ich dir mal diese Trick-Kamera besorgt, weißt du noch?«
»Klar, Paps«, sagte sie. »Ich bin ja nicht weich im Kopf wie manch anderer. Erzähl weiter.«
»Es sieht so aus, als ob jemand mit dem Initial D, E oder F bei Wade eingebrochen ist, um herauszukriegen, ob er unerlaubterweise
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