Rosen lieben Sonne
addierten.
Nachdem wir gestartet waren und ich meine Finger vorsichtig von der Armlehne entkrallt und ganz langsam die Augen aufgemacht hatte, lächelte ich Evonne großspurig an und sagte: »Komisch, daß manche Leute den Start am schlimmsten finden.«
»Wohingegen du Start, Landung und die Zeit dazwischen gleich schlimm findest«, sagte sie und klopfte mir beruhigend auf den Arm. »Aber ich bin trotzdem stolz auf dich, Liebster. Ich frage mich, ob sie hier Eistee light servieren — ich könnte einen Drink vertragen.« Evonne hatte durchaus Humor, wenn er auch manchmal etwas gehässig ausfiel. Sie ließ sich mit Wodka-Tonic abspeisen, ich nahm zwei Brandys mit zwei Canadian Dry Ginger Ales und entspannte mich eine Winzigkeit, oder zumindest den Ansatz einer Winzigkeit.
Nachdem sie ein paar Minuten lang aus dem Fenster gesehen und die Wolken beobachtet hatte, schnäbelte mir Evonne einen Kuß an die Wange und sagte: »Also, Daddy, warum fliegen wir nach Vegas? Und erzähl mir nicht wieder den Quatsch vom Tanzen bis zum Morgengrauen, sonst kotz ich dir in den Schoß.«
Also erzählte ich ihr von meinem Fall. Sie kannte ihn schon in groben Zügen, aber jetzt erzählte ich ihr auch den Rest, obwohl ich (wie immer) ein schlechtes Gewissen dabei hatte, einen offenen Fall mit jemand anderem als meinem Freund Benny zu bereden. Einerseits, weil meine Klienten natürlich ein Recht auf Vertraulichkeit haben, andererseits, um ihr die grausigen Details zu ersparen. Vielleicht gab es auch noch andere gute Gründe, zum Beispiel, nicht ausgelacht werden zu wollen und nicht als der tumbe, inkompetente Clown dazustehen, der ich zweifelsohne war. Was erzählt eine Nachtschwester ihrem Mann, was der Cop von der Sitte seiner Frau? Es war das alte Problem: Der Wunsch, sich zu entlasten und mitzuteilen gegen das Bedürfnis, diejenigen zu beschützen, die man liebt. Wenn man zuviel Last bei seiner Frau ablädt, wird sie früher oder später diejenige sein, die überlastet ist. Vielleicht sogar überlastet mit Sorgen um dich. Andere Menschen, in erster Linie wieder Frauen, wollen lieber die ganze Wahrheit hören, weil sie das erstens aushalten können und zweitens nicht zu Unrecht davon ausgehen, daß die reine Wahrheit, so grausam sie auch sein mag, leichter zu ertragen ist als irgendwelche grausigen Vermutungen über die mögliche Wahrheit.
Was davon richtig oder falsch ist, weiß ich auch nicht, aber ich weiß, daß mich all das nie interessiert hat, bevor ich die großartige Miss Evonne Beverly Shirley kennenlernen durfte. Und ich weiß auch, daß Miss Evonne Beverly Shirley mir was erzählen würde, wenn ich ihr nicht alles haarklein berichtete. Genaugenommen würde sie mir wahrscheinlich nichts erzählen, und zwar nie wieder. Wenn ich nicht nachgab, würde sich diese warmherzige, erotische, intelligente Versuchung in eine sture, banale Smalltalk-Spezialistin verwandeln und mir damit den Verstand rauben.
Einmal versuchte ich, ihr zu erklären, daß sie mir ja auch nicht erzählte, was sie den ganzen Tag machte. Ihre Antwort war: »Warum sollte ich? Du würdest in weniger als zwei Minuten einschlafen; alles, was ich tue, ist tippen und irgendwelche Eingaben in den Computer eingeben und Listen erstellen und dieselben Leute an denselben Plätzen treffen — du hingegen bist draußen in der kranken, modernen Welt, du trinkst zuviel und wirst mit Messern bedroht und auf den Kopf geschlagen und löst Mordfälle, also wer um Gottes willen hat hier wem Gutenachtgeschichten zu erzählen?«
Wer könnte da noch schweigen? Trotzdem fand ich es manchmal schwierig, und dann erzählte ich ihr nicht alles, dachte mir aber andererseits einige Details auch aus, womit ich gut leben konnte, bis sie es irgendwann mal rauskriegen würde, was nicht mehr allzu lange dauern dürfte, bei meinem Sieb von einem Gedächtnis und ihrer Intelligenz.
An jenem Abend aber erzählte ich ihr die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, meinem Herzblatt. In 34 000 Fuß Höhe schloß ich mit einem Bericht über die Poolparty bei Lewellens. Ich erzählte ihr sogar, daß ich mit »Jim« Coburn drei Runden Pool gespielt hatte.
»Ich habe mir sagen lassen, daß sie eine wirklich miese kleine Ratte ist«, sagte Evonne, nachdem ich fertig war.
»Wer?«
»Großmutter Collins.«
»Miss Joan Collins? Sie war sehr höflich zu mir«, entgegnete ich pikiert. »Außerdem war sie atemberaubend anzusehen, und das in einem Bikini, was kaum jemandem außer dir, meine Teure,
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