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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Ellis
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dieser Nacht?«
    Â»Ich muss jetzt wirklich nach Hause«, sagte ich wieder.
    Mrs White streckte ihre Hände über den Lenker und umarmte mich sanft und herzlich. Das fühlte sich tröstlich und sehr vertraut an. So hatte sie mich schon mein ganzes Leben lang umarmt – es war derselbe sichere Hafen, in dem ich immer Zuflucht gesucht hatte, wenn im Kopf meiner Mutter mal wieder die Stürme tobten. Ich sah ihr nach, als sie über den Rasen zurück ins Haus ging. Sie schloss die Tür und ich stand draußen.
    Danach kurvte ich noch ein bisschen durch Galloway und landete schließlich auf der Brücke. Von oben sah ich lange auf den Fluss, der unter mir dahinfloss. Irgendwann war ich müde genug, um nach Hause zu fahren und schlafen zu gehen.
    Ein paar Tage später blätterte ich auf der Suche nach Caseys Brief mein Geschichtsbuch durch, wo ich ihn zuletzt hatte. Aber er war nicht mehr da. Wahrscheinlich lag er in der Schule in meinem Spind.
    Ich vergaß die Sache erst mal und wurde erst am nächsten Morgen wieder daran erinnert. Vor unserer Schule gab es so eine Selbstbedienungsbox, wo man die Lokalzeitung kaufen konnte. Durch das Fenster dieser Box war deutlich Caseys handschriftlicher Brief zu erkennen, der genauso abgedruckt worden war, wie sie ihn verfasst hatte, und noch dazu schwarz eingerahmt war. Ich stand wie versteinert davor und starrte ihn an.
    Es war offensichtlich, was passiert war. Der Brief war aus meinem Geschichtsbuch gefallen, und der Finder hatte die Gelegenheit genutzt, sich damit ein bisschen schnelles Geld – oder sonstige Vorteile – zu verschaffen.
    Ich sah jedem Mitschüler, der ins Schulgebäude ging, genau ins Gesicht. Im Prinzip konnte es jeder gewesen sein.
    Aber irgendwann hörte ich auf damit, denn plötzlich wollte ich gar nicht mehr wissen, wer dafür verantwortlich war. Denn falls ich es herausfand, müsste ich ja etwas unternehmen.
    Warum wollte mich jemand derart hintergehen? Hatte ich denn irgendwem was getan?
    Und wenn nun Casey dachte, dass die Zeitung den Brief von mir hatte? Jetzt musste ich ihr unbedingt schreiben und ihr erklären, dass ich damit nichts zu tun hatte.
    Aber dann bekam ich plötzlich Wut auf Casey. Wie konnte sie nur denken, dass ich es gewesen war? Hatte sie denn gar kein Vertrauen mehr zu mir?
    Â»Guten Morgen, Libelle«, kicherten ein paar Mädchen und rempelten mich im Vorbeigehen an.
    Etwas ganz Besonderes und sehr Persönliches, das wir jahrelang als unser Geheimnis gehütet hatten, war jetzt öffentlich bekannt und zum Witzemachen freigegeben.
    Ich lehnte mich an die Zeitungsbox und übergab mich.

Kapitel 9
    Â»Was hat das denn hier zu bedeuten?«
    Mom stellte mich noch am selben Abend beim Essen zur Rede. »Wie konnte das passieren?« Sie knallte die Zeitung so heftig auf den Tisch, dass mein Milchglas umkippte.
    Ich stand auf, um einen Lappen zu holen.
    Â»Lass das!«, schrie sie. »Antworte gefälligst!«
    Â»Der Brief kann nur aus meinem Geschichtsbuch gerutscht sein.«
    Dad musste länger arbeiten. Es war niemand da, der sie besänftigen konnte.
    Â»Du hast ihren Brief aus der Hand gegeben? Jetzt sieh dir an, was du angerichtet hast.«
    Â»Das war doch keine Absicht«, protestierte ich.
    Â»Besonders an die Nieren zu gehen scheint es dir jedenfalls nicht. Warum bist du nicht stinksauer? Weshalb bist du nicht völlig aufgelöst? Wieso regst du dich nicht auf?«
    Â»Du weißt doch gar nicht, wie es mir geht«, wehrte ich mich. »Außerdem regst du dich ja schon genug auf.«
    Â»Ist denn die gesamte Stadt verrückt geworden?« Mom riss die Arme in die Luft und stürmte im Zimmer auf und ab. Dann nahm sie das Telefon und hackte ungehalten eine Nummer in die Tasten. »Gerald, ich will, dass du diese Zeitung anzeigst! Ich will wissen, wer denen diesen Brief gegeben hat. Die müssen wegen Diebstahl angezeigt werden. Beauftrage einen Privatdetektiv, geh zur Polizei. Du bist doch Anwalt, du weißt, was zu tun ist. Ist mir völlig egal, was das kostet. Wir verkaufen das Haus oder lassen uns unsere Versicherung auszahlen …« Sie knallte den Hörer zurück aufs Telefon. »Wie ich diese Anrufbeantworter hasse.«
    Sie ging ins Wohnzimmer, und ich hörte, wie sie vor sich hin murmelte. Ich holte einen feuchten Lappen aus der Küche und wischte die Milch auf, dann räumte ich den Tisch ab. Wenn Mom so drauf

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