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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Ellis
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Stofftaschentuch wischte sie sich die Tränen ab.
    Â»Aber ich kann mehr als mich schämen«, sagte sie. »Ich werde mich nicht zurücklehnen und tatenlos zusehen, wie sie Casey das Schuljahr vergeuden lassen. Und an der Stelle kommst du ins Spiel. Ich möchte, dass du über Caseys Eltern in Erfahrung bringst, ob sie im Gefängnis Lernstoff nacharbeiten kann. Wenn das möglich ist, werde ich mit ihren anderen Lehrern vereinbaren, dass sie ihr Schulaufgaben zukommen lassen. Aus der Verhandlung wird sie als unschuldig hervorgehen, und wenn sie es schafft, mit dem Stoff Schritt zu halten, kann sie trotz allem dieses Jahr ihren Abschluss machen und wie geplant ein Stipendium bekommen. Ihre Australienreise – nun, es werden sich für sie noch andere Möglichkeiten ergeben. Aber es ist trotzdem eine Schande. Sie hat sich so sehr bemüht.«
    Sie drehte sich um und zog etwas aus einer Schublade. »Und versuch bitte außerdem, dieses Buch zu Casey zu bringen. Ich weiß doch, wie sehr sie Käfer mag.«
    Miss Burke drückte mir einen riesigen Wälzer namens Die Welt der Käfer in die Hand. Es war eins von diesen Büchern, bei denen Casey sich immer nicht mehr einkriegte vor Begeisterung, mit Hunderten Nahaufnahmen verschiedenster Käfer bei den merkwürdigsten Beschäftigungen.
    Da klingelte es, und ich hörte, wie sich das Klassenzimmer nach der Mittagspause füllte.
    Â»Danke dir, Jessica«, sagte Miss Burke. »Du bist eine echte Freundin. Vielleicht kann ich mir jetzt doch wieder im Spiegel gegenübertreten.«
    Die Stunde fing an. Ich versteckte das Käferbuch in einem Ordner, damit mich niemand danach fragte. Jeder, der mich mit einem Insektenbuch sah, wusste doch sofort, dass es für Casey war, und das brauchte ich nun wirklich nicht.
    Aber die Clique im Cactus entdeckte es trotzdem. Nicole griff nach meinem Ordner, um sich die Geschichtshausaufgaben anzusehen, und zog natürlich das Käferbuch so raus, dass alle es sehen konnten.
    Â»Was ist das denn?«, fragte sie, als ob ich ihr eine Erklärung schuldig war. Ȇbernimmst du jetzt das Hobby von der Spinnerin?«
    Bis zu diesem Moment hatte es die Cactus-Clique immer vermieden, Casey in meiner Gegenwart zu erwähnen. Wenn ich mit ihnen zusammen war, schaffte ich es beinahe zu vergessen, dass Casey existierte. Und jetzt tauchte sie plötzlich hier am Tisch auf. Panik stieg in mir auf.
    Â»Die olle Burke will unbedingt, dass ich es zu Caseys Eltern bringe«, sagte ich.
    Â»Das wirst du ja wohl nicht machen oder was?«
    Ich musste mir sehr schnell was einfallen lassen. »Na ja, ich bin in Bio ein bisschen abgesackt. Und sie hat mehr oder weniger angedeutet, dass sie mir noch mal ’ne Chance gibt, wenn ich ihr den Gefallen tue.« Dann erzählte ich allen von unserem Gespräch im Vorbereitungszimmer und spielte die Heulszene nach, damit sie was zu lachen hatten.
    Â»Die Alte ist doch voll senil«, sagte Nicole. »Die hätten sie schon vor Jahren gefeuert, wenn sie nicht in der Gewerkschaft wäre.«
    Â»Echt kein Wunder, dass die so auf Casey steht«, bemerkte Amber und rührte sich Zucker in ihre Diät-Cola. Sie tat das jeden Tag, und es ging mir auf die Nerven, wie ihr Löffel gegen das Glas klirrte. »Eine so schräg wie die andere.«
    Ich biss an. Was ein Fehler war. »Beide verrückt nach Krabbelviechern?«
    Â»Ja klar, aber was viel wichtiger ist: beide nicht verrückt nach Jungs.«
    Â»Willst du damit sagen, Miss Burke ist ’ne Lesbe?«, fragte Nathan grinsend.
    Â»Na logo!« Amber verzog das Gesicht. »Miss Burke! Nie verheiratet, diese ganzen Geschichten im Unterricht, wie sie mit anderen alten Wachteln die Welt bereist. Du denkst doch nicht wirklich, dass die da immer nur rumkrauchen und nach Käfern suchen?«
    Â»Ihh, das ist ja eklig!«, prustete Nicole. »Die Burke ist so alt und hässlich.«
    Â»Sie war ja nicht immer alt«, wandte Cliff ein, ein anderer aus der Clique. »Ich sag nur: immer schön ran an die Buletten!«
    Â»Klar, das sieht dir ähnlich!«, fuhr Amber ihn an. »Aber ich finde es ja echt skandalös, dass sie jahrelang unterrichten darf und dabei ja ständig Kontakt zu Schülerinnen hat. Wir sollten sie irgendwo anzeigen.« Dann sah Amber mich direkt an. »Ist Casey vielleicht dadurch lesbisch geworden, Jess – oder war sie das schon

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