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Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken

Titel: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Ellis
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war.
    In der Mittagspause arbeitete ich in der Kantine an der Kasse. Nathan drängelte sich zu mir vor.
    Â»Immer schön hinten anstellen, junger Mann«, fuhr ihn die Essensaufsicht an.
    Nathan trat beiseite und ließ mich weiterkassieren, während er auf mich einredete.
    Â»Ich komm gerade vom Lehrerzimmer«, berichtete er.
    Â»Die haben dich ins Lehrerzimmer gelassen?«
    Â»Nee, nee, ich stand davor. Drin haben sie sich richtig gefetzt, wegen deiner Freundin Casey.«
    Es gefiel mir nicht, wie er das aussprach. Das klang so, als würde mich das mehr betreffen, als mir lieb war. Aber Nathan hatte meine Existenz jahrelang nicht zur Kenntnis genommen. Insofern musste ich ihm also etwas antworten, wenn ich nicht wieder zur Unperson werden wollte.
    Â»Was ist denn mit Casey?«
    Â»Das kannst du dir echt nicht vorstellen! Die olle Burke hat sie bis aufs Messer verteidigt und dabei die anderen Lehrer regelrecht angeschrien. Die hat so laut gebrüllt, dass es draußen alle gehört haben.«
    Â»Miss Burke?« Ich konnte es gar nicht fassen, denn Miss Burke wurde sonst eigentlich nie laut.
    Â»Die Burke hat gezetert, dass die anderen Lehrer Casey ihren Lehrstoff zukommen lassen sollen, während sie im Knast sitzt. Und wer das nicht macht, der sollte sich was schämen. Die hat gesagt, dass Casey die begabteste Schülerin wäre, die diese Schule je gesehen hätte. Da haben ein paar von den anderen Lehrern zurückgebrüllt, dass sie für eine Kindermörderin keinen Finger krumm machen würden. Und dann haben sie sich nur noch angegiftet.«
    Ich konzentrierte mich so sehr auf das, was Nathan da zu berichten hatte, dass ich etliche Schüler durchließ, ohne ihnen ihren Thunfisch-Snack zu berechnen. Einem anderen knöpfte ich zwar Geld ab, vergaß aber fast, das Wechselgeld rauszugeben.
    Â»Einer von den Lehrern – ich glaube, Higgins – hat gebrüllt, dass die Burke ja wohl total senil wäre und ins Altersheim gehört, und eine andere Frau – keine Ahnung, wer – hat gedroht, gleich zur Schulleitung zu gehen, weil man jemanden so Verpeiltes wie die Burke nicht auf Kinder loslassen dürfte.«
    Â»Und dann? Was war dann?«
    Â»Dann ist die stellvertretende Direktorin aufgetaucht und hat mich angeschissen, dass ich im Korridor nichts zu suchen hätte. Und danach bin ich gleich hergekommen, um dir das zu erzählen.«
    Ich war erst mal total geschmeichelt, dass er als Allererstes zu mir gekommen war, aber nur, bis ich den Grund dafür erfuhr:
    Â»Ich dachte, dass du vielleicht irgendwas weißt.«
    Ich zuckte die Schultern. »Die anderen Lehrer sind wahrscheinlich nicht ganz so große Casey-Fans wie die alte Burke.«
    Â»Die ist echt voll ausgetickt.«
    Â»Ich hab nachher gleich bei ihr Unterricht«, sagte ich. »Wenn sie noch irgendwas Schräges sagt oder macht, erzähl ich’s euch.«
    Nathan sagte: »Na dann, bis später«, und ich widmete mich wieder meinem Job. Ich fühlte mich sehr wichtig in meiner Rolle als eine Art Spionin für die Clique.
    Als ich im Bio-Raum ankam, war Miss Burke nicht da. Auch zehn Minuten nach dem Stundenklingeln tauchte sie nicht auf. In der Klasse machten wilde Spekulationen die Runde. Die Neuigkeit über den Zoff im Lehrerzimmer hatte sich blitzschnell rumgesprochen. Die Schüler mutmaßten: »Vielleicht ist sie gefeuert worden.« »Oder sie hat ’nen Herzinfarkt gekriegt.« Keiner von uns ahnte auch nur ansatzweise, was sich da tatsächlich gerade abspielte. Aber wir sollten es gleich erfahren.
    Aus dem Lautsprecher ertönte Miss Burkes Stimme: »Liebe Schüler«, begann sie. »Es tut mir leid, dass ich den Unterricht stören muss, aber ich muss mich dringend wegen einer eurer Mitschülerinnen an euch wenden. Es geht um Casey White.
    Ãœber Casey wird eine Menge dummes Zeug geredet, dass sie angeblich eine Mörderin sei. Viele Leute in dieser Stadt – und leider auch in dieser Schule, wie ich beschämt feststellen muss – springen auf diesen Casey-ist-schuldig-Zug auf. Ich will, dass ihr damit aufhört und nachdenkt. Klappt also eure Bücher zu, legt die Stifte weg, hört mir zu und überlegt.
    Wurde von euch schon mal jemand zu Unrecht beschuldigt? Erinnert ihr euch noch, wie frustrierend und einsam sich das anfühlt? Wenn Leute, die ihr für eure Freunde gehalten habt, euch plötzlich angreifen? Wenn

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