Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
aufschlieÃen wollte, wurde er von den Schülern ausgebuht und beworfen â Bücher und Schulutensilien, ja sogar Schuhe flogen in seine Richtung. Die Polizei machte sich nicht die Mühe, einzelne Täter herauszufischen. Sie schubsten und schlugen jeden, den sie erwischen konnten. Ich weià nicht, ob die Schüler so aufgebracht waren, weil der Direktor Miss Burke zum Schweigen bringen wollte oder weil er den ganzen Spaà damit zunichtemachte. Das ist mir bis heute nicht klar.
Mehrere Polizisten begleiteten den Direktor ins Büro. Sie hatten sogar ihre Waffen gezogen. Das Büro mit der Sprechanlage war ein kleiner, vom Sekretariat abgetrennter Raum. Wie es Miss Burke geschafft hatte, beide Räume leer zu bekommen und sich darin einzuschlieÃen, werde ich wohl nie erfahren.
Wir hörten, wie sie vom Mikrofon weggezerrt wurde und von einem der Beamten mitgeteilt bekam, dass sie verhaftet sei. Dann wurde die Sprechanlage ausgeschaltet. Kurz darauf brachten sie Miss Burke heraus.
Der Direktor ging mit missmutigem Gesicht voran. Die Polizisten waren groÃe, kräftige Männer in dunkelblauen Uniformen und tief in die Stirn gezogenen Dienstmützen. Miss Burkes Hände waren hinter ihrem Rücken mit Handschellen gefesselt, genauso wie es bei Casey gewesen war. Sie wurde von zwei Beamten flankiert, die ihre Arme fest im Griff hatten. Auf den ersten Blick sah sie zwischen ihnen klein und blass aus.
Die Schülermenge johlte und applaudierte, während sie abgeführt wurde. Wieder weià ich nicht genau, ob das aus Anerkennung für ihre Worte oder Spaà an der tollen Show passierte. Miss Burke zeigte keinerlei Reaktion in unsere Richtung, sondern ging ruhig und würdevoll zwischen den beiden Polizisten, die â das musste man ihnen zugutehalten â schon ein bisschen verlegen wirkten, dass sie einer kleinen, alten Dame im spitzenbesetzten Blümchenkleid erbarmungslos Handschellen angelegt hatten.
Bei genauerem Hinsehen sah sie allerdings überhaupt nicht klein aus, sondern ganz im Gegenteil sogar ausgesprochen groÃ. Sie hatte ihren Kopf hocherhoben, ihre Augen leuchteten und sie lächelte. In diesem Augenblick wirkte sie mindestens 30 Jahre jünger.
Am nächsten Tag bekamen wir eine Vertretung und wurden informiert, dass Miss Burke nicht wiederkam. Die Vertretungslehrerin entdeckte im Vorbereitungsraum Caseys Insektensammlung und stellte sie im Bio-Raum aus. Am nächsten Tag lagen sämtliche Glaskästen kaputt auf dem Boden und alle Insekten waren zertreten. Sosehr die Vertretungslehrerin auch tobte, niemand half ihr, das Chaos zu beseitigen. Nicht mal ich.
29. August
8. Tag
Casey und ich bereiten die Ãbernachtung im Freien vor, doch da das Camp fast zu Ende ist, hat keiner mehr Lust auf organisierte Aktivitäten. Die Kids sind geschafft, und als wir den Schlafplatz vorbereitet und Holz fürs Lagerfeuer gesammelt haben, wollen alle einfach nur dasitzen, schwatzen und essen. Ãber dem Feuer brutzeln Würstchen und Marshmallows und es duftet herrlich nach Rauch und Sommerabend.
Im Schein der Taschenlampe liest Casey das Gutenachtbuch zu Ende, aus dem wir jeden Abend vorgelesen haben. Es ist »Alles Liebe, Deine Anna« von Jean Little. Darin singt Anna ganz am Ende »Stille Nacht«, in das die Kinder meistens einstimmen. So auch diesmal, und danach singen wir noch sämtliche Weihnachtslieder durch und gehen dann zu den Lagerfeuerklassikern über. Allmählich verstummen die Gesänge, und es wird geplaudert â so offen, wie es wahrscheinlich nur am Lagerfeuer möglich ist. Die Kinder erzählen von Hänseleien in der Schule, Problemen mit den Eltern, vom Tod der GroÃeltern â das Ãbliche eben.
Die meiste Zeit über benimmt sich Stephanie, bis das Mädchen neben ihr sie auffordert, nicht so viel Platz auf der Plane zu beanspruchen. Da fängt sie an, Stöcke und Tannenzapfen ins Feuer zu werfen, sodass Funken umherfliegen. Wir sagen ihr, dass sie damit aufhören soll. Eingeschnappt nimmt sie ihren Schlafsack und lässt sich ein Stück abseits nieder. Aber dort haben wir sie immer noch gut im Blick und lassen sie einfach vor sich hin schmollen, weil wir froh sind, dass sie sonst keinen Stress weiter macht. So hockt sie auch noch da, als Mrs Keefer mit einer Thermoskanne Kakao auftaucht, und auch, als ich mitten in der Nacht auf dem Weg zum Klo fast über sie stolpere.
Kurz darauf weckt mich
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