Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
Deanna Brown, ein Mädchen aus unserer Gruppe, weil sie Bauchschmerzen hat. Sie hält sich die rechte Seite und glüht förmlich vor Fieber. Ich habe genug Ahnung von Erster Hilfe, um zu wissen, dass man so etwas nicht auf die leichte Schulter nehmen darf. Schnell flüstere ich Casey zu, dass ich Deanna zur Sanitäterin bringe. Ich nehme Deanna auf meine Arme und renne, so schnell ich kann, den Weg hinunter, der zum Bonehouse führt. Der Himmel ist tiefschwarz und die Luft fühlt sich kurz vor dem Morgengrauen seltsam schwer an. Ich bemerke gar nicht, ob Stephanie noch an ihrem Fleck ist oder nicht. An Stephanie verschwende ich in diesem Moment überhaupt keinen Gedanken.
Ich klopfe mit dem Fuà an die Tür der Krankenstation. Bones öffnet im Nachthemd. Hinter ihr sehe ich etliche Kinder in den Betten liegen. Nach einem kurzen Blick auf Deanna drückt sie mir ihren Autoschlüssel in die Hand.
»Bring sie in die Notaufnahme«, sagt sie nur. »Jetzt sofort. Ich rufe gleich an und sage Bescheid, dass ihr unterwegs seid. Ihre Eltern informiere ich auch. Und nun los!«
Das Auto steht direkt vor der Krankenstation. Bones hilft mir, Deanna hineinzusetzen.
»Im Aschenbecher liegen ein paar Münzen fürs Telefon«, meint sie noch. »Halt mich auf dem Laufenden, ja?«
Ich fahre los. Ich verstoÃe gegen sämtliche Tempolimits, aber auÃer mir ist niemand unterwegs. Die Uhr im Armaturenbrett zeigt 2.00 Uhr morgens an. In Rekordzeit befördere ich Deanna ins Krankenhaus von Galloway. Sie schaffen es, ihr den Blinddarm noch rechtzeitig herauszunehmen, ehe er platzen kann.
Ich rufe Bones an und erfahre von ihr, dass die Eltern unterwegs ins Krankenhaus sind. Sie wohnen ein paar Autostunden entfernt. Ob ich noch dort warten könnte, bis sie da sind? Damit Deanna eine vertraute Person bei sich hat.
Ich sitze im Wartezimmer, döse beim Blättern in einer alten Ausgabe der Hausfrauenzeitschrift »Good Housekeeping« fast ein und strecke mich irgendwann auf einem der orangefarbenen Plastiksofas aus.
»Bist du Jessica?«
Die Stimme reiÃt mich aus dem Schlaf. Vor mir steht ein Paar mittleren Alters in zerknitterten und erkennbar hastig übergeworfenen Sachen.
Eilig stehe ich auf, merke, wie mir schwindlig wird, und muss mich erst mal wieder hinsetzen. »Ich bin Jess«, bringe ich gerade noch heraus.
»Wir sind Deannas Eltern«, sagt der Mann. »Der Arzt hat uns gesagt, wenn du sie nicht sofort ins Krankenhaus gebracht hättest, wäre es kritisch geworden. Dafür möchten wir uns sehr bei dir bedanken.«
Ich stand wieder auf. »Wie geht es ihr denn jetzt?«
»Sie schläft und ist auÃer Gefahr«, antwortet der Mann.
»Wenn sie aufwacht, will sie sich bestimmt auch selbst bei dir bedanken«, fügt die Frau hinzu. »Du hast wirklich etwas Heldenhaftes für uns geleistet. Wie schön wäre es, wenn mehr Jugendliche so wären wie du.«
Sie gehen wieder zu ihrer Tochter. Ich lehne mich auf dem Plastiksofa zurück und denke über meinen Heldenstatus nach. Dann beschlieÃe ich, noch zu warten, bis Deanna aufwacht. Heute ist der letzte Tag im Camp, nachher ist Abreise, und ich lege bei den meisten Teilnehmern keinen besonderen Wert darauf, mich von ihnen zu verabschieden.
Vielleicht wollen Deannas Eltern meinen Einsatz ja noch in barer Münze honorieren. Das werde ich natürlich erst mal bescheiden ablehnen, aber wenn sie darauf bestehen, muss ich das Geld natürlich annehmen, um sie nicht vor den Kopf zu stoÃen. Vielleicht erfährt ja auch die Zeitung davon. Camp-Betreuerin rettet Kind das Leben. Da soll meine Mutter noch was zu kritisieren haben! Vielleicht endet der Sommer ja doch noch mit einem Höhepunkt.
Mit solchen Gedanken sitze ich noch eine Weile da und sehe durch das Fenster dem Regen zu, der in Strömen vom Himmel fällt. Wahrscheinlich hat es angefangen, während ich geschlafen habe. Ich stelle mir vor, wie Casey die Kinder antreibt, ihre Sachen zusammenzusuchen, damit alle ins Trockene kommen. Auf der Heimfahrt werden sämtliche Kids klatschnasse Schlafsäcke und schlammige Schuhe haben. Zur Abwechslung bin ich mal die Heldin und Casey hat die Drecksarbeit am Hals.
Der Regen könnte auch unsere Pläne für die Zeit nach dem Camp zunichtemachen. Aber vielleicht dürfen wir ja noch in einer von den Hütten bleiben oder im Sani-Stützpunkt â dort gibt
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