Rosen und das Leben nach dem Tod u Rosen und zwei Leben
Ich war Teil eines Spionageteams, das dafür sorgen sollte, dass der zu beobachtende keine Dummheiten machte und zur Gegenseite überlief. Die Gegenseite hieß in unserem Fall Verzicht auf das Leben und unser Observierungsobjekt hieß Russel Linney. Während der Rückfahrt hatten wir kein Wort gesprochen. Ich wusste, dass jeder Einwand, den ich vorbringen würde, von Mr. Smith in Grund und Boden gestampft werden würde. Also schwieg ich und Smith schien das als willkommene Gelegenheit zu empfinden, seine Pläne weiter zu schmieden. Einer davon hieß: Linney Manor reaktivieren.
Hier hörte der Spionagefilm auf und das Genre wechselte. Ich fühlte mich nun wie in einer Mischung aus Gruselfilm und Drama steckend, denn das Anwesen starrte uns aus seinen dunklen Augen vorwurfsvoll an. Es lag dort und schien zu fragen, warum wir es verlassen hatten. Warum wir es nicht mehr mit Leben füllten. Der Kies unter den Reifen knarzte so laut, dass dieses Geräusch meinen Herzschlag, der in meinem Ohr dröhnte, übertönte. Die sich öffnenden Wagentüren, verscheuchten einen Kauz, der sich darüber lautstark mokierte, als er wegflog. DasSchließen der Türen schien in der Stille der Nacht einem Donner gleich, und einige Nachtschwärmer aus dem Tierreich, blickten uns mit ihren gelben Augen gereizt an. Jeder Schritt in Richtung Eingang knirschte unheilvoll und mir wäre es am Liebsten gewesen, ich hätte auf dem Absatz kehrtmachen können. Das hier war eine Nummer zu groß für mich. Bisher hatte ich die Menschen nur nach Aktenlage analysiert. Jetzt stand mir die größte Bewährungsprobe bevor, die ein Mensch bewältigen musste: Mein Leben auf dem ehrlichen Weg auf die Reihe zu bekommen und ein anderes zurückzuholen.
„Die Taschen hole ich gleich“, sagte Mr. Smith. In seiner Hand hielt er den Schlüssel für das Anwesen, doch er machte keinerlei Anstalten die Tür zu öffnen. Der große, hagere Mann stand neben mir, warf diffuse Schatten auf mich. Zum einen konnte ich verstehen, dass er das Haus, in dem er so viel erlebt hatte, unter diesen Umständen nicht betreten wollte. Zum anderen war mir kalt und ich wollte einfach nur noch ins Bett. Der Gedanke, in diesem leeren, großen, alten Haus zu schlafen, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Es gab zu viele dunkle Ecken, in deren Halbdunkel Gegenstände standen, die wie Monster wirkten und aus eben diesen dunklen Ecken hervorlugten. Dort drinnen war es so still, dass die Geräusche, die dieses Haus von sich geben würde, mir einen Schrecken nach dem anderen einjagen würden. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken daran, dort schlafen zu müssen. Aber was sollte ich tun? Ich war heimatlos. Um Lissy zu belästigen, war es definitiv zu spät in der Nacht. Einen Schlüssel zu meiner alten Wohnung hatte ich nicht mehr und einfach dort klingeln? Nein. Das wäre der Witwe meines Vaters gegenüber unhöflich gewesen.
Ich hing noch in meinen Überlegungen über Höflichkeiten und deren Auswüchse, als Mr. Smith sich einen Ruck gab und endlich die Tür aufschloss. Er musste sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen stämmen und sah mich kurz darauf an. „Wenn das Haus nicht geheizt ist, dann verzieht sich das alte Mädchen!“ Eine einladende Aussicht sieht anders aus. Ganz anders, schoss es mir durch den Kopf. Aber ich wollte nicht meckern. Nein: Ich wusste, dass – wenn ich erst einmal die bösen Geister auf der großen Treppe und in den Nischen hinter mir gelassen haben würde – ich mich auf das Zimmer des Grauens freute. Ein wenig hatte ich die hässlichen Gegenstände vermisst und ich war gespannt, ob sie alle noch da waren.
Mr. Smith war vorausgegangen und hatte das Licht in der Eingangshalle angeschaltet. Fahles, flackerndes Licht leuchtete die große geschwungene Treppe nur unzureichend aus. „Verfluchte Energiesparlampen“, murmelte Mr. Smith. Er sah sich um. „Das dauert immer, bis die hell werden. Grässlich.“ Er legte mir die Hand in den Rücken und schob mich in die Halle. Verhalten sah ich mich um. Natürlich kannte ich das hier alles. Aber damals war es anders gewesen. Damals. Wie das klang. Im Prinzip war das hier alles erst vor ein paar Monaten geschehen und doch war es eine Ewigkeit weit weg. Ich schielte in die Räume links und rechts vom Eingang. Die Möbel dort drinnen waren an die Wände geschoben worden und mit weißen Laken abgedeckt. Wann würde wohl das Hausgespenst aus seinem Versteck kommen?
„Möchten Sie etwas essen?“, fragte mich Mr. Smith,
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