Rosen und das Leben nach dem Tod u Rosen und zwei Leben
konzentrieren und Mr. Smith konnte in frischer Bettwäsche schlafen. „Sie haben geübt?“, fragte er und ich erschrak. Er war mir so leise gefolgt, hatte wohl auch meine seltsame Aktion bezüglich der Wäsche gesehen, aber ich hatte ihn nicht bemerkt. Er stellte er seinen Koffer ab und begutachtete mein letztes Werk an der Schaufensterpuppe, der ich zwischenzeitlich auch einen Namen gegeben hatte.
„Ach … Sie meinen meine stümperhaften Versuche an Lulu“, sagte ich schmunzelnd. Mr. Smith prüfte den Sitz der Seile und sein fachmännischer Blick glitt über die Figur. „Nein … das ist gut“, sagte er nachdenklich. „Aber warum?“
Ich klaubte die benutzte Wäsche zusammen, was mir den Raum gab, ihn bei meiner Antwort nicht ansehen zu müssen: „Ich wollte wissen, wie sich die andere Seite anfühlt.“ Er nickte.
„Gut umgesetzt.“ Ich ließ sein Lob unbeachtet im Raum verhallen, wünschte ihm eine gute Nacht und ging auf meine Couch. Dass dieses Möbelstück gerade eben groß genug war, um sich darauf zu setzen, machte die Aussicht auf eine erholsame Nacht zunichte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich endlich eine Position gefunden, die es mir ermöglichte wenigstens die Augen zu schließen ohne dass mir schwindlig, weil mein Kopf im Schlafmodus ständig von der Armlehne rollte, wurde. Aber Schlaf war das nicht, was mich da überkam. Es war ein leidliches Dämmern, das mein Unterbewusstsein nicht zur Ruhe kommen ließ. In etwa so, als wüsste ich, dass in zehn Minuten der Wecker klingeln würde und ich dann aufstehen müsse. Dementsprechend gerädert fühlte ich mich, als Mr. Smith am nächsten Morgen gut gelaunt die Treppe herunterkam. Er sah kurz zu mir herüber, während ich ihn nur durch Lidschlitze ansah und so tat, als schliefe ich noch. „Wie ein trotziges kleines Balg, liebe Maisie, das ist ein Glanzstück.“ Ich machte meine Androhung vom Abend wahr und schwieg mich über Mr. Smiths Bitte einfach aus. Einen Tag. Zwei Tage. Drei Tage. Zwischen uns lag die Anspannung wie drückende Schwüle vor einem Gewitter. Wir mieden das Thema London und Russel und versuchten das Beste aus meinem Ausweichen zu machen. Am dritten Abend hielt es Mr. Smith nicht mehr aus. „Wie haben Sie sich entschieden?“ Seine Frage kam zwar nicht unerwartet, doch immerhin so plötzlich, dass ich den Wein, den ich gerade einschenkte, verschüttete. „Sie sind hartnäckig“, versuchte ich auszuweichen. Er nickte ohne zu lächeln, wie er es sonst tat. „Mrs. Peel, er braucht Sie.“
Ich lehnte mich zurück und schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich da tun kann. Ich weiß ja nicht mal, wie mein Leben weitergehen soll. Mein Vater hat mir zwar einen kleinen Betrag hinterlassen, sonst könnte ich mir diese Extravaganz hier gar nicht leisten. Aber was ich tun werde, wenn das Geld aufgebraucht ist, weiß ich noch nicht und ich fürchte, ich werde seiner Witwe auf der Tasche liegen müssen. Also: Wie soll ich also einem anderen Menschen eine Hilfe sein können, wenn ich mir selbst nicht zu helfen weiß?“
Mr. Smith lehnte sich zurück, nahm sein Glas und sah mich eindringlich an. Er schwieg. Sagte kein Wort, aber genau das, heizte mein schlechtes Gewissen an. „Ende der Woche können wir fahren.“
Ich hatte mir noch zwei Tage Aufschub verschafft. Mr. Smith gab sich alle Mühe, mir den Abschied aus meinem Paradies zu versüßen. Er stellte Menüs für uns zusammen, die einem 5-Sterne-Restaurant zur Ehre gereichten. Trotzdem musste ich ihn spüren lassen, dass mir bei der Sache nicht wohl war. Ich hatte gerade mich aus dem Tief gezogen und das auch nur deshalb, weil ich einen miesen, feigen Trick angewendet hatte. Ich hatte so getan, als hätte es mein vorheriges Leben nicht gegeben. Ich nahm zwar die Erfahrungen mit, gab aber vor, ein vollkommen anderer Mensch zu sein. Verdrängung nannte man so etwas wohl. Aber ich fühlte mich gut damit und ich hoffte, dass ich diese Maisie Peel irgendwann mal mit dem Leben ausfüllen konnte, dass ich mir schon für Rosalie gewünscht hatte.
*
Linney Manor lag in vollkommener Dunkelheit. Fahles Mondlicht tauchte die Szene vor uns in ein unheimliches Bild. Mr. Smith und ich saßen in seiner dunklen Limousine, die er in der Nähe des Bahnhofs geparkt hatte, und die uns nun ein wenig Schutz vor der feuchten Kälte der Nacht gab. Als wir die Station verließen und er mich zu diesem Wagen führte, kam ich mir vor wie ein Mitglied einer konspirativen Vereinigung.
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