Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
gefiederte Bolzen in die Schulter des Postens drang; der schwere Marin ließ seine Waffe fallen und schrie.
Laheran kam anmutig auf die Beine und klopfte sich den Staub aus den Kleidern. »Am besten schafft ihr euren Freund zum Spinnenarzt«, bemerkte er zu den übrigen Soldaten, während einer von ihnen sich über den armen Tropf beugte, der die Tür aufgestoßen hatte. »Für euch gibt es hier nichts von Interesse.«
Laheran trat über die Schwelle. Wie er vermutet hatte: Einer der toten Männer war Daviran, einer seiner wenigen Freunde, mit dem zusammen er als Lehrling in die Gilde eingetreten war.
Und jetzt saß der für seine Schläue berühmte Davi auf einem Stuhl, im Gesicht die Blässe des Todes und ein von Ohr zu Ohr reichendes rotes Grinsen unter dem Kinn.
Nichts lebte mehr in dem trostlosen Raum. Ein Toter lag auf dem Boden, ein weiterer saß wie Davi auf einem Stuhl, ein vierter war kopfüber an das obere Gitterkreuz des Sklavenkäfigs gefesselt; auch den Armbrustbolzen hatte keine lebende Hand abgefeuert. Man hatte die Armbrust an die Tür zu einer kleinen, dem Eingang gegenüberliegenden Kammer genagelt, und ein improvisierter Flaschenzug löste den Bolzen, sobald die Haupttür sich öffnete.
Laheran knieter nieder, um den Leichnam unter dem Tisch zu untersuchen. Die rechte Hand war zerquetscht und so übel zugerichtet, als hätte sie jemand durch eine Weinkelter gedreht.
Selbstverständlich war diese Verletzung nicht die Todesursache. Seine Rippen waren gebrochen, das Brustbein eingedrückt, was vermutlich den sofortigen Tod herbeigeführt hatte.
Das roch nach dem Zwerg, Ahira, und Davis durchschnittene Kehle verriet die Hand von Walter Slowotski.
Und der arme tote Bastard, der kopfüber am Eisengitter hing, war ein echter Karl Cullinane. Laheran umfaßte das kurze Stück von dem Speerschaft, der aus der Brust des toten Sklavenhändlers ragte.
Es stand ihm förmlich vor Augen, wie dieses Ungeheuer den Gildebruder kopfüber an die Eisenstäbe fesselte und dann gemächlich den Speer in der Hand wog, bevor er sein hilfloses Opfer schließlich durchbohrte.
Diese drei, Ahira, Slowotski, Cullinane, mußten sterben.
Laheran zog seinen Dolch und prüfte dessen Schärfe. War es tatsächlich möglich, einem Mann zehntausend kleine Schnitte zuzufügen, ohne ihn zu töten? Ahrmin hatte recht gehabt: Cullinane war zu gefährlich, um ihn am Leben zu lassen. Er mußte sterben. Und seine Freunde mit ihm.
Wieder hob Laheran den Blick zu dem an die Tür gehefteten Pergament.
Der Krieger lebt, glaubt ihr? Nicht mehr lange, Karl Cullinane! Nicht mehr lange, du mordgierige Bestie!
Laheran riß das Pergament von der Tür und zerfetzte es mit dem Dolch haßerfüllt zu schmalen Streifen.
Kapitel sechs
Tennetty
Das Gewerbe des Samurai setzt sich zusammen aus Betrachtungen über seine eigene Stellung im Leben, dem treuen Dienst an seinem Herrn - zu den Zeiten, da er einen hat -, der Vertiefung seiner Vertrauenswürdigkeit im Umgang mit Freunden und - unter gebührender Berücksichtigung der eigenen Position - der völligen Hingabe an seine Pflicht.
Yamaga Soko
Der Unterschied zwischen einem vertrauten Freund und einem ergebenen Vasallen ist alles andere als trivial. Was mich betrifft, so wäre ich lieber das erstere; Vasallen gehen für meinen Geschmack zu oft zum Brunnen.
Walter Slowotski
»Komm herein«, sagte sie.
Ihr Zimmer, eine kleine Kammer im Kerkergeschoß des Turms, wurde einzig von einer flackernden Lampe erhellt, die in einer Mauernische stand. Es war kalt hier unter der Erde und es roch nach Moder, aber das schien Tennetty nicht zu kümmern, die im Schneidersitz auf ihrem zerwühlten Bett saß und die Schneide eines Dolches prüfte. Ihr Gesicht lag im Schatten, der die schwarze Klappe über der leeren Augenhöhle verbarg.
»So«, meinte sie. »Du hast es dir von ihnen ausreden lassen?«
»Was glaubst du? Daß ich mich vor der Reise drücken will?«
Sie kicherte höhnisch. »Sehr schlau, Jason. Du hast einen scharfen Blick für das Offensichtliche.« Von irgendwoher aus der Dunkelheit brachte sie einen Wetzstein zum Vorschein, spuckte darauf und begann mit langsamen, gleichmäßigen Bewegungen die Dolchklinge zu schärfen.
Jason ärgerte sich über diese Anschuldigung und wußte nicht recht, wie er darauf reagieren sollte. »Ich dachte, ich hätte in Melawei etwas bewiesen«, erwiderte er und bemerkte erst, wie aufgeblasen diese Worte klangen, als sie schon heraus waren.
Sie musterte ihn
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