Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
ist. Auf dem Flaschenetikett tanzen fünf Pinguine eine Polonaise. Von der Marke habe ich noch nie etwas gehört, irgendein Szenegebräu, nehme ich an. Aber das ist egal, ich trinke es sowieso nicht. Ich brauche das Bier nur zur Tarnung, weil hier alle eine Flasche in der Hand haben. Gedankenschwer baue ich mich vor einem der Gemälde auf. Die richtige Pose ist wichtig, dann lassen dich die anderen in Ruhe, weil sie dich nicht stören wollen, wenn du die Kunst auf dich wirken lässt.
Es sind eine Menge Freaks da, die sich in Schale geworfen haben, um aufzufallen und von möglichst vielen Leuten bemerkt zu werden. Das genaue Gegenteil von mir also.
Wie ich erwartet hatte, interessiert sich kein Schwein für die Bilder. Ich bin der Einzige, der sich die ausgestellten Sachen anschaut. Irgendetwas Abstraktes mit viel Rot. So toll sind die Werke nicht, aber genau wie all die anderen bin ich ja auch nicht wegen der Kunst da.
Irgendwo in der Nähe der Bar spielt ein Jazztrio, dem niemand zuhört. Wo auch immer Pascal und Moritz mit Hobbe auftauchen, steht Hobbe sofort im Mittelpunkt. Küsschen links, Küsschen rechts, Küsschen links. Wer ihn begrüßen will, muss sich hinten anstellen, so groß ist der Andrang. Eine Dragqueen auf High Heels arbeitet sich an Hobbe heran und presst ihn dabei zur Begrüßung an ihre falschen Brüste. Dabei schiebt sie Moritz achtlos zur Seite. Der stolpert nach hinten und fällt über so einen Zwerg im roten Frack, der sofort ein Messer zieht und »Verdammt, kannst du nicht aufpassen?« zischt.
»’tschuldigung, war keine Absicht«, murmelt Moritz eingeschüchtert. »Ehrlich nicht.«
»Willst du mich verarschen?« Der Winzling fuchtelt mit seinem Messer vor Moritz’ Gesicht herum. Dazu muss er nicht einmal auf einen Stuhl steigen, weil Moritz immer noch ganz verdutzt auf dem Boden hockt.
Hobbe lässt die Dragqueen stehen und legt dem wütenden Winzling die Hand auf die Schulter.
»Lass ihn in Frieden, Freddie. Er gehört zu mir.« Hobbe reicht Moritz seine freie Hand, um ihm beim Aufstehen zu helfen.
»Oh, habe Sie gar nicht gesehen, Mister Hobbe. Ist ja überhaupt nichts passiert. Ich wünsche noch einen schönen Abend.« Der Kleine steckt sein Messer weg und verbeugt sich vor Hobbe. Dann verschwindet er im Gedränge, was ihm bei seiner Größe nicht schwerfällt.
»Willst du ihn kennenlernen?«, fragt Hobbe, als Moritz wieder auf beiden Beinen steht.
»Wen? Freddie?«
»Nein, Karelski, der mit den phänomenalen Geschichten.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, drängelt sich Hobbe mit Moritz im Schlepptau zu einem Stehtisch durch, an dem sich eine Traube von Menschen um einen Mann gruppiert hat. Das dauert, weil Hobbe unterwegs immer wieder aufgehalten wird und ständig jemand ein paar Worte mit ihm wechseln will.
Als Hobbe die Gruppe um Karelski erreicht, teilt sie sich sofort, um ihn durchzulassen. Der Mann im Zentrum kommt um den Stehtisch herumgeeilt und umarmt Hobbe.
»Endlich! Da geht die Sonne auf, die uns alle wärmt«, erklärt Karelski und drückt Hobbe an sich.
»Karelski, hör auf zu schleimen. Ich will dir einen jungen Kollegen vorstellen. Sein Name ist Moritz Rosendorfer.« Hobbe befreit sich aus der Umarmung und zieht Moritz, der etwas verlegen hinter ihm steht, in den Kreis der Karelski-Bewunderer.
»Frisches Blut? Fein. Woran schreibst du gerade?« Karelski mustert Moritz abschätzend.
»Ich schreib für … an …«, stottert Moritz.
»Er schreibt für mich eine Sammlung von Kurzgeschichten. Als Vorbereitung für seinen Debütroman. Wenn der rauskommt, wird er der neue Liebling des Feuilletons. Dann kannst du einpacken«, springt Hobbe Moritz bei und legt ihm demonstrativ den Arm um die Schulter, was wohl so viel heißen soll wie: Das ist mein Mann, ich glaub an den.
»Konkurrenz belebt das Geschäft – und die Umsatzzahlen. Vor allem meine. Mignon!«
Karelski dreht sich zu einer jungen Frau um. Sie könnte Karelskis Tochter sein. Ist sie aber nicht, sonst würde er ihr bestimmt nicht erlauben, so ein atemberaubendes Kleid zu tragen. Es ist aus changierender Seide und hat einen tiefen, sehr tiefen Ausschnitt.
»Kennen Sie Mignon schon? Sie ist meine Muse, ohne sie könnte ich kein Wort schreiben. Mignon, sag brav Guten Tag.«
Das Mädchen rollt genervt die Augen, gibt Moritz aber trotzdem die Hand.
»Mignon hat gerade von einem neuen Handyanbieter erzählt, mit wahnsinnig günstigen Tarifen. Sag, Mignon, wie hieß der noch? Du musst mir das
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