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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
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schon.
    »Nein, nein, bis heute Abend dann.« Moritz gibt sich mit der Antwort zufrieden. Er dreht sich um und geht, während Hobbe den Schrank öffnet. Das ist ein bisschen schade, weil ich schon gern gewusst hätte, was er dort verschlossen hält. Aber mit Moritz verschwindet auch meine Kamera aus dem Zimmer.
    Da besteht eindeutig Nachrüstungsbedarf.

14 / 10 / 2015  – 12 : 42  Uhr
    Seit Moritz gutes Geld verdient, sind auch die Restaurants, in denen er essen geht, schicker geworden. Nicht mehr nur Pizzerien und Pommesbuden, sondern richtig gediegene Läden.
    Ich besorg mir lieber einen Hamburger auf die Hand und esse den im Wagen. Von da aus kann ich Moritz und Pascal während ihrer Mittagspause gut im Blick behalten. Sie speisen draußen auf der Terrasse in demselben Laden, in den Hobbe Moritz an seinem ersten Tag im Verlag eingeladen hat.
    Das Wetter ist immer noch sonnig und mild, aber Moritz hat sich seitdem verändert. Nicht nur wegen der neuen, teuren Klamotten, die er trägt. Sein Gang, seine Gestik, seine ganze Haltung sind noch einmal viel selbstsicherer geworden, und das mit dem Auf-der-Unterlippe-Rumkauen hat auch aufgehört. Das passiert ihm nur noch, wenn er Anne trifft.
    Ich kann das beurteilen, ich beobachte ihn schließlich schon seit einer Weile. Früher zum Beispiel, da ließ er beim Gehen die Schultern hängen, und wenn er an einem Tisch saß, dann schaufelte er vornübergebeugt sein Essen in sich hinein. Jetzt sitzt er aufrecht, und ich verstehe sehr gut, was da mit ihm passiert ist. Er fühlt sich ausgewählt, als Teil von so einer Art Geheimgesellschaft. Einem Bund, dessen Mitglieder mehr wissen als die anderen Menschen, die Normalen. Deswegen sind doch diese ganzen Verschwörungstheorien so beliebt: Wer hat Kennedy wirklich erschossen? War die NASA tatsächlich auf dem Mond? Und haben die Amis das World Trade Center nicht doch selbst in die Luft gejagt? Die offizielle Version ist immer langweiliger als der Glaube an irgendeine Verschwörung.
    Wenn man das alles durchschaut, gehört man zu einem kleinen eingeweihten Kreis, während der Rest sich mit irgendwelchen Lügen abspeisen lässt. Und wenn man dann noch zu dem viel kleineren Kreis derer gehört, die sich solche Geschichten und Verschwörungstheorien ausdenken, potenziert sich dieses Gefühl in Richtung Unendlichkeit.
    So ähnlich fühlt Moritz. Er glaubt, er hat die Macht, andere Menschen mit seinen Geschichten zu manipulieren. Das ist verführerisch, und man muss schon ziemlich gefestigt sein, um nicht völlig abzuheben. Oder man braucht eine gute Erdung, eine wie Anne.
    Pascal hat so eine Erdung. Keine Freundin, denn das wüsste ich. Seine Erdung heißt nicht Tanja, Tina oder Sonja. Seine Erdung heißt Geld. Für ihn ist das alles nur ein gut bezahlter Job. Die Geschichten sind ihm egal, im Gegensatz zu Moritz. Aber das ist nur meine bescheidene Meinung,
off the records
sozusagen.
    Pascal sitzt Moritz gegenüber. Na ja, eigentlich hängt er eher in seinem Stuhl, die Beine weit von sich gestreckt. Die Kopfhörer baumeln um seinen Hals, während er irgendetwas in seinem Smartphone sucht und gleichzeitig an einer Krokette knabbert, die zu seinem Steak serviert wurde. Das hat er gleich nachgesalzen, ehe er auch nur einen Bissen probiert hatte. Es ist mein Job, auf solche Kleinigkeiten zu achten.
    »Wenn ich genug Kohle hab, kauf ich mir ein Boot. Oben in Hamburg habe ich mir schon eins ausgeguckt. Hat mal einem Zuhälter gehört. Geiles Teil. Damit schwimm ich einmal rund um die Welt«, erklärt Pascal mit vollem Mund.
    »Kannst du überhaupt schwimmen?«, fragt Moritz, der sich nur einen Salat bestellt hat.
    »Wozu gibt es Schwimmwesten?« Pascal legt sein Smartphone zur Seite und widmet sich seinem Steak. Kauend fragt er: »Und? Wofür sparst du den ganzen Zaster von Hobbe?«
    »Das Geld ist mir nicht wichtig.«
    Hab ich’s nicht gesagt?! Klar hab ich’s gesagt.
    »Hör dir den an! Geld ist ihm nicht wichtig. Wo kommst du denn her? Ist dein Vater Milliardär?«
    »Nein, er hat eine Anwaltskanzlei, in dem Ort, aus dem ich komme«, antwortet Moritz.
    »Das erklärt alles.«
    »Das erklärt überhaupt nichts. Geld wird total überbewertet. Unsere Geschichten, die sind wichtig. Du und ich, wir sind Rockstars. Unsere Storys sind wie Songs. Vorher war da gar nichts, nur eine Idee, eine Melodie, und dann ist da plötzlich etwas, wird größer und größer und macht sich auf den Weg, und dann hörst du deinen Song aus jedem Radio, egal,

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