Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Stimmung im Wagen außerdem merklich aufgelockert hat. »Und rate mal, wer das erfunden hat.«
Anne hört zu lachen auf und schaut überrascht zu ihm hinüber.
»Jetzt sag nicht, du warst das!«
Moritz nickt nur und grinst.
»Arbeitest du etwa beim Radio?«
»Nein, bei einem Verlag. Habe ich dir doch erzählt.«
»Und was macht ihr da?«
»Ich erfinde Geschichten. Absurde Gruselstorys«, erklärt Moritz. »Solche wie die da gerade im Radio.«
»Und dafür kriegst du Geld?«
»Jede Menge«, antwortet Moritz zerstreut.
Er schaut in den Rückspiegel. Sein Blick wirkt verunsichert, weil er erst jetzt den Wagen entdeckt hat, der ihm schon eine ganze Weile folgt. Das ist nicht meiner, sondern der von den beiden Schwulen, die keine sind. Moritz verändert das Tempo, mal beschleunigt er, dann bremst er wieder ab. Seine Verfolger machen es genauso. Entweder sind die zwei totale Dilettanten, oder sie wollen, dass Moritz weiß, dass es sie gibt.
Eins von beidem.
Während er mit Anne redet, schaut Moritz noch ein paar Mal in den Rückspiegel, um ganz sicherzugehen. Als er sicher ist, drückt er richtig aufs Gas, um die beiden abzuschütteln. Bei dem Tempo kann ich nicht folgen, und das brauche ich auch nicht. Ich bin auf Sendung, und ich weiß ja eh, wo er hinfährt. Also lasse ich es gemütlicher angehen. Das kann ich mir leisten, weil selbst die unbekannten Kollegen mit Hobbes Sportwagen nicht mithalten können. Von denen sind in den nächsten Stunden keine Komplikationen zu erwarten.
Ich nehme den Knopf aus dem Ohr und schalte den Lautsprecher meines Laptops an, der neben mir auf dem Beifahrersitz steht. Darauf kann ich auch die Bilder aus der Weitwinkelkamera sehen, die ich gestern Nacht noch hinter dem Spiegelglas des Rückspiegels versteckt habe. Das ist besser als Radio.
»Früher bist du nicht so schnell gefahren«, sagt Anne, die sich verkrampft an dem Griff in der Wagentür festhält.
»Früher hatte ich auch nicht so einen Wagen«, erwidert Moritz.
»Ich würde es trotzdem vorziehen, wenn du etwas weniger Gas gibst.«
Moritz guckt wieder in den Spiegel, der Wagen ist weg.
»Wie bitte?«, fragt Moritz abgelenkt.
»Langsamer, das Gegenteil von schneller.«
Moritz sieht noch einmal in den Rückspiegel und vergewissert sich, dass der Wagen wirklich weg ist. Erst dann geht er vom Gas.
»Danke«, sagt Anne. »Und wofür soll das gut sein?«
»Was?«
»Na, diese Geschichten.«
»Ach so, die. Daraus wird ein Buch, das sich dann ganz groß verkaufen soll. Und danach schreibe ich meinen ersten Roman für den Verlag. Ist alles schon abgemacht.«
»Damit geht für dich ein Traum in Erfüllung, nicht wahr?«, bemerkt Anne völlig ohne Ironie in ihrer Stimme.
»Exakt«, erwidert Moritz genauso ernst und sieht dabei Anne an, obwohl er besser auf den Verkehr vor ihm achten sollte. »Aber ich habe ja noch andere Träume.«
Anne spürt seinen Blick und schaut aus dem Seitenfenster, wo gerade ein Pferdehof an ihnen vorbeirauscht.
»Erzähl doch mal ein paar von den Geschichten, die du für den Verlag erfindest«, versucht sie das Thema zu wechseln.
»Ach, das sind Storys, die angeblich immer dem Freund eines Freundes passieren. Kennst du doch sicher. Ein Kollege von mir, Pascal, hat sich neulich auch mal was ausgedacht, obwohl der eigentlich nur für die Verbreitung zuständig ist.«
»Verbreitung?«
»Na ja, er erzählt sie halt herum oder stellt sie ins Internet ein, damit die Leute sie weiterverbreiten und irgendwann für wahr halten, weil sie sie schon so oft gehört haben. Am Ende landen die Storys in der Zeitung oder im Radio. Hast du ja gerade gehört.«
»Und warum soll noch jemand für das Buch bezahlen, wenn das alles schon mal irgendwo stand?«
Bingo! Darüber hat Moritz noch gar nicht nachgedacht, und ich übrigens auch nicht. Manchmal braucht es eben doch eine Frau, die die richtigen Fragen stellt.
»Na, weil … weil … weil man die Geschichten da alle noch mal gesammelt nachlesen kann«, stammelt Moritz und beißt sich dabei auf die Unterlippe. Überzeugend ist die Antwort nicht, und deswegen ist jetzt er es, der das Thema wechselt.
»Willst du Pascals Geschichte nun hören oder nicht?«
»Klar, schieß los!«
»Also, da folgt eine Frau einem Fremden in dessen Wohnung, weil er ihr seine Espressotassensammlung zeigen will.«
»Espressotassen?« Anne kichert wieder.
»Ja, warum nicht? Was dagegen?«, fragt Moritz gereizt.
»Nein, nein, überhaupt nicht. Hat halt jeder so sein
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