Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
an Moritz vorbei und denkt nach. Dabei spielt sie wieder mit ihrer Brille.
»Okay, einverstanden. An dem Tag habe ich eh frei. Aber nur wegen deines Vaters. Nicht, dass du denkst …«
Moritz’ Handy klingelt.
»Warte bitte, ich muss da kurz ran.« Moritz nimmt das Gespräch an. Es ist Pascal, der für Hobbe nachfragen soll, wo Moritz bleibt. »Ich komme gleich. Er soll sich nicht so anstellen.« Anscheinend stellt sich Hobbe trotzdem an, denn Pascal lässt nicht locker. »Ja, ich frag sie. Bis nachher«, beendet Moritz das Gespräch und sieht Anne an, die das Gespräch verfolgt hat und ganz offensichtlich noch nicht weiß, ob sie den neuen Moritz besser finden soll als den alten.
»Hast du heute Abend schon was vor?«, fragt Moritz, der ihren Blick natürlich auch bemerkt hat.
»Ich hab gesagt, ich fahre mit zu deinen Eltern. Mehr nicht. Ich mach das nur für deinen Vater.« Anne setzt ihre Brille wieder auf, so als würde sie das Visier eines imaginären Ritterhelms zuklappen.
»Schon verstanden.« Moritz hebt lächelnd die Hände. »Ich hol dich dann ab.«
Anne sagt nichts, sondern nickt nur.
»Soll ich dich noch irgendwo vorbeibringen?«
»Danke, aber ich bin mit meinem Wagen da.«
»Also bis dann.«
»Bis dann.«
Die beiden stehen sich noch einen Moment gegenüber. Irgendwann dreht Anne sich um und geht, ohne sich noch einmal umzuschauen.
Die Einbeinigen haben das natürlich auch alles beobachtet und hauen sich lachend mit den Händen auf ihre Restoberschenkel.
»Hat ihn einfach stehen gelassen, seine Kleine«, sagt der eine und lacht.
»Da steht er nun, der arme Tor, und ist so einsam wie zuvor!«, grölt der andere.
Rache ist Blutwurst, hat meine Mutter immer gesagt. Für eine Sekunde frage ich mich, ob die beiden Rollstuhlfahrer auf ihn angesetzt wurden. Aber nein, sonst würden sie sich nicht so auffällig benehmen. Oder vielleicht gerade deshalb? Paranoia ist echt eine Berufskrankheit, aber das erwähnte ich, glaube ich, schon.
»Immerhin kann ich noch stehen«, sagt Moritz, bevor er in die entgegengesetzte Richtung geht, in der Anne verschwunden ist.
14 / 10 / 2015 – 23 : 08 Uhr
Auf die Dauer ist das Number One mein Ruin. Sogar ein Wasser kostet hier schon sieben Euro, und meistens komme ich nicht einmal dazu, das Glas leer zu trinken.
Von der Theke aus sehe ich Moritz und Pascal, die sich in den tiefen Sesseln im VIP -Bereich fläzen. Über Nacht haben die Betreiber den Klub neu eingerichtet. Alles, was beim letzten Mal noch weiß war, ist heute schwarz. Keine Ahnung, wie sie das in der kurzen Zeit geschafft haben. Geld scheint hier nicht das Problem zu sein, und das hätte mich bei den Getränkepreisen auch stark gewundert.
Im Hintergrund ist Hobbe zu sehen, der von einer Traube Schnorrer umlagert wird. Etwas abseits sitzt Karelski mit dem Winzling, der sofort sein Klappmesser zückt, als er meinen Schützling sieht. Moritz lächelt nur müde, und da lässt Freddie sein Messer enttäuscht wieder in der Hosentasche verschwinden. Die Dragqueen ist auch da, und Mignon kann ich in dem Gedränge ebenfalls erkennen. Sie schaut immer wieder zu Moritz hinüber, scheint aber nach der Abfuhr neulich kein Interesse mehr daran zu haben, mit ihm zu reden.
Moritz lässt sich neben Pascal nieder und schenkt sich aus der halb leeren Champagnerflasche ein, die vor ihm in einem schwarzen Sektkühler auf einem niedrigen Tischchen steht.
»Hör zu! Ich hab da einen Megadeal für uns beide an Land gezogen«, flüstert Pascal Moritz ins Ohr.
Das mit dem Flüstern könnte er sich auch sparen. Die Bässe wummern so laut, dass ihn sowieso niemand hören kann, und ich bin heilfroh, dass das Mikro an Moritz’ Anzug ein echtes Hightechgerät ist, sodass ich ihn trotzdem verstehen kann.
»Du und ich, wir zwei machen uns selbstständig«, sagt Pascal.
»Womit? Mit Kopfhörern?«, fragt Moritz und zeigt auf die großen roten Hörer, die wie eine Nackenrolle um Pascals Hals hängen.
Der Skater ignoriert Moritz’ Bemerkung. Er sieht ganz euphorisch aus. Mit den Händen gestikuliert er wild, und seine Augen strahlen vor Begeisterung.
»Hör zu: Ich habe mich heute mit Typen getroffen. Oberstes Management einer Turnschuhfactory.«
»Willst du jetzt Sneakers verkaufen?«, erkundigt sich Moritz.
»Quatsch! Alles, was wir machen müssen, ist unser Know-how an die zu verscherbeln. Wir erfinden ein paar hässliche Geschichten über ihre Konkurrenten und bringen die in Umlauf. Was glaubst du, was dann
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