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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
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Hobby.«
    »Darf ich weitererzählen?«
    Anne tut so, als würde sie sich mit einem Schlüssel den Mund verschließen, und nickt Moritz zu.
    »Das übliche Spiel. ›Kommst du noch für einen Kaffee mit rauf?‹ ›Ja, gern, aber nur kurz.‹ ›Kein Problem, ich hab eh nichts zum Frühstück da.‹ Doch statt eines Kaffees kriegt sie von dem fremden Typen K.-o.-Tropfen, und als sie am nächsten Morgen aufwacht, liegt sie im Krankenhaus und hat eine Niere weniger.«
    »Gruselige Vorstellung!« Anne schüttelt sich.
    »Na ja, ich mach auch mehr so die amüsanteren Geschichten«, lenkt Moritz ein.
    »Über Schlangen in Gucci-Taschen?!«
    »Zum Beispiel, oder die von dem erfolglosen Autor, der in einem Versandhandel arbeitet und seine Gedichte heimlich in die Pakete packt.«
    Anne muss grinsen. Die zwei sehen sich an. Es ist fast so wie früher.
    »Du änderst dich nie«, sagt Anne, aber gar nicht vorwurfsvoll. Dann lacht sie.
    »Doch, für dich schon«, antwortet Moritz feierlich.
    Anne schaut aus dem Fenster, wo die Landschaft an ihnen vorbeifliegt, und tut einfach so, als hätte sie das gar nicht gehört.
    Den Rest der Fahrt hängen beide ihren Gedanken nach. Moritz schaut dabei immer wieder in den Rückspiegel. Dann treffen sich unsere Blicke. Natürlich nicht wirklich, denn er weiß schließlich nichts von der Kamera. Anne schaut auch, aber nicht in den Spiegel oder aus dem Fenster, sondern rüber zu Moritz. Immer dann, wenn sie glaubt, dass er sich auf den Verkehr konzentrieren muss.
    Ich glaub ja schon, da geht noch was.

29 / 10 / 2015  – 14 : 33  Uhr
    Weil auf dem letzten Stück der Strecke ein Stau ist und ich eine Abkürzung kenne, kommen wir fast gleichzeitig vor Moritz’ Elternhaus an. Es steht direkt am Ortseingang eines kleinen Städtchens und ist zwar keine Villa, aber ein Nullachtfünfzehn-Reihenhaus ist es auch nicht. Es sieht gediegen aus, ohne protzig zu wirken, und das soll es wohl auch. Das Haus hat nur einen kleinen Vorgarten, aber dahinter befindet sich eine riesige Rasenfläche, und in der Nähe liegt ein Golfplatz, das hatte ich mir vorher schon auf Google Earth angeschaut. Dieses ganze Internetzeug hat meine Arbeit wahnsinnig erleichtert. Noch vor fünfzehn Jahren hätte es Tage gedauert, alle wichtigen Informationen aus den verschiedenen Archiven zusammenzutragen. Heute reichen ein paar Klicks, und man ist bestens informiert. Moritz’ Vater hat eine Anwaltskanzlei, die er aber demnächst an einen jüngeren Kollegen abgeben will, und sein Golf-Handicap liegt bei drei. Das hat in dem kleinen Ort gereicht, um schon zweimal Klubmeister zu werden. Außerdem ist er passionierter Jäger, war Schützenkönig in den Jahren 1985 , 1987 sowie 1991 , und im Internet bestellt er ausschließlich Sachbücher.
    Moritz’ Mutter ist in der Kirche aktiv, leitet ehrenamtlich die Gemeindebücherei, und ihr Rezept für einen Blaubeer-Baiser-Kuchen, das sie auf einer Koch-Website hochgeladen hat, klingt wirklich verführerisch lecker. Unter dem Decknamen
Indian
passion
ist sie in einem Erotik-Esoterik-Forum angemeldet, und wenn ihre Einträge in dem Fitnessportal nicht geschwindelt sind, geht sie dreimal die Woche walken.
    Als Moritz vor dem Haus seiner Eltern eintrifft, steht da gerade der Musikzug des Schützenvereins, der zu Ehren des Geburtstagskinds aufspielt. Moritz drängt sich hupend zwischen den Querflötenbläsern und Trommlern in ihren grün-weißen Uniformen durch, damit er den Wagen vor der Garagenauffahrt parken kann. Die Musiker geraten für einen Moment aus dem Rhythmus, ehe sie sich wieder sammeln und weiterspielen können.
    Moritz’ Vater beobachtet die Szene streng, während seine Mutter sofort auf ihren Sohn zugelaufen kommt und nach dem Aussteigen erst Moritz und dann Anne herzlich umarmt. Moritz geht zu seinem Vater, sie schütteln sich die Hand. Sehr förmlich. Anne umarmt auch ihn und flüstert Moritz᾽ altem Herrn etwas zu, das ich nicht verstehen kann, weil Moritz mit dem Mikro sofort wieder auf Abstand zu seinem Vater gegangen ist. Der Jubilar guckt seine zukünftige Schwiegertochter erstaunt an, doch bevor er etwas sagen kann, stehen auch schon die nächsten Gäste mit einem Strauß Blumen und einer Flasche Weinbrand vor ihm.
    Aus dem Handschuhfach hole ich eine meiner Nanokameras und eine Flasche Whiskey, die ich unterwegs besorgt habe. Der Whiskey ist ein Geschenk für Moritz’ Vater, die Kamera ist für Anne.
    Mit der Flasche unterm Arm mische ich mich unter die Gratulanten.

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