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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
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verlässt Moritz das Number One, und ich trinke schnell mein Wasser aus. Wäre ja schade drum, es wieder stehen zu lassen.

14 / 10 / 2015  – 23 : 59  Uhr bis 28 / 10 / 2015  –  23 : 59  Uhr
    Die nächsten zwei Wochen gibt es keine besonderen Vorkommnisse. Moritz schreibt, trifft sich mit Pascal, der immer seltener im Büro vorbeischaut, und ist abends mit Hobbe und dessen Gefolge unterwegs. Manchmal tauchen die beiden Schwulen auf, die keine sind, manchmal auch nicht. Anne sieht Moritz in den zwei Wochen kein einziges Mal.
    Es ist stinklangweilig, ihm dabei zuzuschauen.

29 / 10 / 2015  – 08 : 33  Uhr
    Moritz parkt Hobbes Wagen in der zweiten Reihe vor Annes Wohnung. Es ist der Tag, an dem sein Vater seinen Fünfundsechzigsten feiert, und auf der Straße ist nicht viel los.
    Als er aussteigt, läuft er trotzdem fast in eine Radfahrerin, die wild klingelnd an ihm vorbeisaust. Moritz drückt sich dicht an den Wagen, um einen Zusammenprall zu verhindern, und ruft laut »Olé!«, als wäre er ein Torero und das Rad ein wilder Stier. Ich glaube, heute gibt es nichts, was ihm seine gute Laune vermiesen könnte. Nicht mal der Geburtstag seines Vaters. Das traumhafte Herbstwetter hat sich gehalten, und vor ihm liegen zwei Tage mit Anne.
    Pfeifend tänzelt Moritz über den Bürgersteig auf die Haustür zu und läutet. Mit dem Pfeifen hört er erst auf, als Anne mit einer kleinen Reisetasche aus der Tür tritt. Sie stutzt, als sie den Wagen sieht.
    »Deiner?«
    »Nur geliehen«, antwortet Moritz. Er nimmt ihr die Tasche ab und öffnet für sie die Beifahrertür.
    Ich sag doch, er hat sich verändert. So etwas hätte er früher nicht gemacht.
    »Wer leiht dir denn so einen Wagen?«, fragt Anne, die kurz zögert einzusteigen.
    »Mein Chef. Keine Sorge, der ist nicht geklaut. Mit dem sind wir schneller da als mit meinem Roller.«
    »Du hast es doch sonst nicht so eilig, nach Hause zu kommen«, erwidert Anne, als sie sich in den tiefen Sitz fallen lässt. »Wie geht es überhaupt deinem Vater?«
    »Wieso?«, fragt Moritz zurück.
    Anne sieht verwundert von unten zu ihm hoch.
    »Ach so, ja, schon besser, viel besser«, korrigiert sich Moritz und schiebt ein »Aber immer noch sehr kritisch« hinterher.
    Dann lässt er schnell die Wagentür zuklappen, um weitere Nachfragen abzublocken, geht um den Wagen herum und steigt ebenfalls ein. Um 8 : 33  Uhr fahren sie los.
     
    Die ersten fünfzig Kilometer auf der Autobahn sagt keiner der beiden ein Wort. Ich nehme an, Anne will so klarstellen, dass das hier keine Vergnügungstour ist und sie nur wegen Moritz’ Vater mitkommt. Moritz wiederum schweigt, weil er vermutlich Angst hat, etwas Falsches zu sagen. Er fängt sogar wieder an, auf der Unterlippe rumzukauen, aber nur leicht.
    Im Radio erzählt der überdrehte Moderator amüsiert die Geschichte von der Bambusnatter in der Gucci-Handtasche. So weit, so gut. Weniger gut ist, dass er auch einen O-Ton von dem Witwer der Dame hat, die an dem Biss gestorben ist. »Plötzlich schießt diese giftgrüne Schlange aus der Tasche und beißt meine Amelie direkt in die Schlagader. Ich habe dann gleich einen Kerzenleuchter genommen und das Viech erschlagen. Also, die Schlange, nicht meine Amelie. Danach habe ich bei der 112 angerufen, aber ehe der Notarzt kam, war sie auch schon tot. Also, meine Amelie, nicht die Schlange. Die hatte ich ja vorher schon hingemacht. Dabei wollte meine Amelie doch nur einmal in ihrem Leben auch so ein Gucci-Täschchen haben. Kostete ja nur ein paar Euro auf dem Markt da in Bangkok. Ich hab noch gesagt: ›Wozu? Eine Aldi-Tüte erfüllt doch den gleichen Zweck!‹ Aber nein, einmal wollte sie auch so was haben wie die feinen Damen in ihren Zeitschriften. Hätte sie mal lieber auf mich gehört, dann wäre sie noch am Leben. Und die Schlange auch.«
    Obwohl die Geschichte eigentlich ziemlich tragisch ist, muss Anne lachen. Der arme Kerl im Radio ist auch einfach zu komisch.
    Moritz lacht nicht, er sieht ein bisschen verwirrt aus. Wahrscheinlich fragt er sich, wie der Sender an den O-Ton des Witwers kommt, wo es doch gar keinen Witwer gibt, und eine Schlange in einem Gucci-Täschchen genauso wenig.
    »Das war ein Witz, oder? Das hat der Moderator gerade erfunden. Und der Witwer, das war bestimmt ein Schauspieler«, sagt Anne und zeigt immer noch lachend auf das Radio.
    »Klar ist das erfunden«, antwortet Moritz erleichtert, weil Anne eine plausible Erklärung für den O-Ton hat und der Radiobeitrag die

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