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Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
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und damit meint er hoffentlich nicht mich, sondern die beiden Schwulen, die keine sind.
    »Moritz! Hör auf damit! Bitte!«, schreit Anne so laut, dass Moritz ihr die Hand auf den Mund presst.
    »Komm mit mir! Wir fahren zu Pascal. Da erklär ich dir alles«, flüstert Moritz und nimmt langsam die Hand von ihrem Mund. Er greift wieder nach ihrem Arm, aber diesmal reißt sie sich los.
    »Du brauchst Hilfe, Moritz! Du bildest dir das alles nur ein. Es gibt keine Verfolger! Und diesen Pascal gibt es auch nicht. Du bist krank! Ernsthaft krank!« Annes Ärger hat sich gelegt. Sie sieht besorgt aus. »Bitte, lass dir doch helfen!«
    »Ich bin nicht krank«, erwidert Moritz und hält hilflos die Kamera in die Höhe.
    »Moritz, ich weiß Bescheid. Deine Mutter hat es mir erzählt. Du bist nicht der Erste in deiner Familie. Aber das lässt sich heilen. Ganz bestimmt sogar. Wir schaffen das! Gemeinsam! Ich lieb dich doch!«
    Die letzten Worte von Anne sind kaum noch zu verstehen, weil sie wieder angefangen hat zu weinen.
    Moritz starrt sie wortlos an, dann dreht er sich um und fängt an zu laufen. Den Wagen lässt er vor der SonderBar stehen. Dort, wo die beiden Schwulen, die keine sind, womöglich auf ihn warten und wo sich mittlerweile bestimmt schon eine ganze Menge Schaulustiger hinter dem Absperrband der Polizei drängelt, während die ersten tapferen Feuerwehrleute die kühle Bar stürmen.
    »Warte, Moritz! Bleib stehen!«, brüllt Anne und läuft ebenfalls los. Aber nur ein paar Meter, dann merkt sie, dass sie keine Chance hat, ihn einzuholen.
    Sie bleibt allein zurück, und es sieht unsagbar traurig aus, wie sie da steht und ihm mit hängenden Schultern hinterherschaut. Und als wenn das nicht schon genug wäre, fängt es nun auch noch an zu regnen. Ein feiner, kalter Sprühregen, der durch jede Naht dringt.
    Ich muss warten, bis sie sich umdreht und langsam in die entgegengesetzte Richtung davongeht. Dann kann ich endlich durch die Stiege nach draußen auf die Straße klettern. Meine Klamotten sind ein Fall für die Reinigung, weil ich mich da unten immer wieder dicht an die Wände drücken musste. Den Dreck kann auch der Regen nicht rauswaschen.

30 / 10 / 2015  – 22 : 21  Uhr
    Weil Moritz zu Fuß unterwegs ist, habe ich keinen Grund, mich zu beeilen. Ich folge ihm langsam in meinem Wagen. Er rennt immer noch durch die nassen Straßen, als wäre der Teufel hinter ihm her. Ich habe keine Ahnung, wer die beiden Typen sind, die hinter ihm her sind, aber das mit dem Teufel kann ich ausschließen. Den gibt es nur einmal, und selbst das ist nicht bewiesen. Die Geschichte vom Teufel, der die Bösen nach ihrem Tod in der Hölle schmoren lässt, ist im Grunde auch nichts anderes als die Geschichten, die Moritz für Hobbe erfindet. Nur eben viel, viel älter. Das sind ja auch alles nur Legenden, die die Menschen zu einem vorbildlichen Lebenswandel anhalten sollen; nicht aus Einsicht, sondern aus Schiss vor möglichen Konsequenzen. Das geht mir so durch den Kopf, als ich meinen Wagen im ersten Gang gemächlich durch die einsamen Straßen hinter Moritz herrollen lasse.
    Unterwegs versucht Moritz, vorbeifahrende Taxis zu stoppen, aber keines hält, und so läuft er weiter, bis er atemlos Pascals Wohnung erreicht. Sie liegt am Rand der Stadt in einer Hochhaussiedlung, die schon bessere Zeiten gesehen hat. Das große Klingelbrett ist mit Graffiti beschmiert, und Moritz hat Mühe, darauf den Nachnamen seines Freundes zu finden. Wenn ich mich nicht irre, ist es das erste Mal, dass er ihn besucht. Moritz muss fünf Mal klingeln, bevor jemand den Türöffner drückt. Dann dauert es bestimmt noch einmal fünf Minuten, ehe Moritz vor Pascals Wohnungstür steht, weil der Aufzug defekt ist.
    Es ist aber gar nicht Pascal, der öffnet, sondern eine ältere Frau in einem schmutzigen Kittel, die Moritz misstrauisch mustert.
    »Ich will zu Pascal. Ich bin ein Ko … Ich bin ein Freund von ihm«, sagt Moritz.
    Die Frau gibt den Weg in die Wohnung frei und zeigt wortlos auf eine Tür am Ende des Flurs. Dann verschwindet sie in einem Zimmer, aus dem das Plärren eines Fernsehers zu hören ist. Als Moritz an dem Zimmer vorbeikommt, drängen sich in der Tür zwei kleine Kinder, die längst im Bett sein müssten. Der Junge und das Mädchen starren Moritz neugierig an. Auf einem Sofa vor dem Fernseher sitzen zwei weitere Jungs und glotzen auf die Mattscheibe, und auch wenn ich im Vorbeigehen nur einen kurzen Blick auf das Programm erhaschen kann,

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