Rosendorn
Feen sind schwierig umzubringen«, sagte sie. »Vor allem in Faerie, wo reines Eisen nicht existiert.«
Jep, sie war so verrückt, wie ich vermutet hatte.
»Dieses kleine Baby«, sagte sie und tätschelte die Waffe in ihrer Tasche, »würde, auch wenn sie nicht aus reinem Eisen besteht, in Faerie nicht funktionieren. Aber wenn die Pistole in der Hand eines Faeriewalkers ist – oder in der Hand von jemandem, der sich in der Aura eines Faeriewalkers aufhält –, kann sie abgefeuert werden. Und selbst eine Königin Faeries kann durch eine Kugel in den Kopf umgebracht werden.«
»Du willst eine der Königinnen ermorden«, stieß ich fassungslos hervor.
»Ich könnte versuchen, beide zu erwischen«, überlegte sie. »Ich habe die Macht, Titanias Thron zu halten, wenn es mir gelingt, ihn zu besteigen. Vielleicht wird meine erste offizielle Handlung als Königin des Sommerhofes dann sein, Mab zu beseitigen. Ich bin nicht so anmaßend zu glauben, dass ich beide Häuser regieren könnte. Doch wenn Mab erst tot ist, wird der Thronfolger des Winterhofes mit Sicherheit weniger mächtig sein, und das würde eine Zusammenarbeit enorm erleichtern.« Grace warf mir ein böses Lächeln zu. »Und mit dir an meiner Seite würde niemand es jemals wagen, mich zu bedrohen. Ich werde für immer Königin sein!«
Nein, sie war überhaupt nicht anmaßend. Ich hatte ehrlich keine Ahnung, ob die Welt ein besserer Ort sein würde, wenn ihr Vorhaben gelang oder wenn sie scheiterte. Mir war nur bewusst, dass mir allmählich nicht mehr viel Zeit blieb, um mir einen grandiosen Fluchtplan zurechtzulegen. Denn wir mussten nur noch ein paar hundert Meter zurücklegen, bis wir die Brücke erreichen und den Graben zum Südtor überqueren würden.
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25 . Kapitel
E s regnete, als ich mich unglücklich zu der Brücke schleppte, die mich nach Faerie führen würde. Grace war so fröhlich, dass sie leise vor sich hin summte. Ich versuchte weiter, mir einen Fluchtplan einfallen zu lassen, bei dem meine Mom nicht getötet werden würde, aber mir fiel nicht einmal ein
verrückter
Plan ein, ganz zu schweigen von einem vernünftigen.
Da Reden die einzige Verzögerungstaktik war, die mir in den Sinn kam, entschloss ich mich, noch mehr Fragen zu stellen.
»Dad sagte, er glaube nicht, dass du nach Faerie zurückkehren würdest«, brachte ich zwischen klappernden Zähnen hervor.
»So? Hat er das?«
»Ja. Es ging irgendwie um Lachlan.« Unter meinen Wimpern hervor beobachtete ich sie, doch sie zeigte keine Reaktion bei Lachlans Namen.
»Trotz all seines Ehrgeizes und Größenwahns ist mein Bruder eine ziemlich phantasielose Person, fürchte ich«, sagte Tante Grace. »Wenn ich, so wie die Dinge momentan stehen, nach Faerie gehen und etwas mit Lachlan beginnen würde, dann würde ich …« Sie runzelte die Stirn. »Ich fürchte, ›gemieden werden‹ ist ein zu milder Ausdruck, um die Reaktion zu beschreiben, aber mir fällt kein besserer ein. Seamus vergisst allerdings, dass ich
dich
an meiner Seite habe, wenn ich nach Faerie zurückgehe. Ich werde Königin sein, und du, mein liebes Kind, wirst Bedrohung genug sein, um den Rest der Sidhe davon abzuhalten, mich nicht mit dem angemessenen Respekt zu behandeln.«
»Also, wie hast du dir das vorgestellt? Wirst du mich die ganze Zeit an deiner Seite haben, wie einen Hund an der Leine, falls du das Bedürfnis verspürst, jemanden erschießen zu wollen?«
Sie warf mir eines dieser verrückten Lächeln zu, und in ihren Augen funkelte teuflische Belustigung. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht … Eine Leine wäre eine hervorragende Idee. An deinem langen weißen Hals würde ein mit Diamanten besetztes Halsband bestimmt reizend aussehen.«
Ich hielt den Mund, denn ich wollte nicht noch mehr Dinge hören, die sie für mich geplant hatte. Wir hatten die Brücke inzwischen erreicht, und meine letzten Hoffnungsschimmer erloschen nach und nach, als wir uns Schritt für Schritt dem Pförtnerhaus näherten.
Grace zeigte auf eine Tür an der äußersten rechten Seite des Pförtnerhauses. Ein kleines Licht über der Tür warf einen schwachen Schimmer auf ein Schild in einer mir unbekannten Sprache.
»Siehst du die Tür?«, fragte sie, wartete meine Antwort jedoch gar nicht ab. »Sie wird uns direkt nach Faerie führen, ohne dass wir uns mit der lästigen menschlichen Zollabfertigung auseinandersetzen müssen. Es ist wundervoll einfach und genial. In Avalon gibt es einen langen Korridor, der geradewegs
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